Polnische Präsidentschaftswahl als politische Richtungswahl

Bei der polnischen Präsidentschaftswahl erzielte keiner der Kandidaten in der ersten Runde die notwendige Mehrheit, so dass es zu einer Stichwahl zwischen den beiden Erstplatzierten kommt. Hier geht es dann um nicht weniger als um eine politische Richtungsentscheidung, stehen sich doch die Kandidaten der liberalen, pro-euro-päischen Regierungskoalition und der nationalkonservativen, EU-kritischen Oppositionspartei PiS gegenüber.

 

 

Bei der gestrigen Präsidentschaftswahl in Polen ist es erwartungsgemäß keinem der Kandidaten gelungen, bereits im ersten Wahlgang die notwendige Mehrheit zu erzielen. Nach Auszählung von 99% der Stimmen führt der Warschauer Bürgermeister Kazimierz Trzaskowski, der für die regierende liberale Bürgerkoalition (KO) antritt, knapp das Feld an (31,2%). Auf Platz zwei folgt der Kandidat der oppositionellen nationalkonservativen PiS, Karol Tadeusz Nawrocki, mit 29,7% der Stimmen. Platz drei geht mit 14,8% an Slawomir Mentzen, der für das als rechtsextrem geltende Parteibündnis „Konföderation der Freiheit und Unabhängigkeit“ angetreten ist. Da keiner der Kandidaten in der ersten Wahlrunde die absolute Mehrheit erreicht hat, kommt es nun am 1. Juni zu einer Stichwahl zwischen den beiden Erstplatzierten Trzaskowski und Nawrocki.

 

Wer von den beiden Anfang Juni das Rennen machen wird, dürfte maßgeblich davon abhängen, wer die meisten Stimmen des Drittplatzierten auf sich ziehen kann. Da das rechtsextreme Bündnis „Konföderation der Freiheit und Unabhängigkeit“ der nationalkonservativen PiS politisch nähersteht als der liberalen und pro-europäischen KO, ist es wahrscheinlich, dass in erster Linie der PiS-Kandidat von den Mentzen-Stimmen profitieren kann, was dessen Siegeschancen merklich erhöht. Sollte die nationalkonservative PiS erneut den Präsidenten stellen, dürfte es für die liberale Bürgerkoalition von Ministerpräsident Tusk weiterhin sehr schwierig sein, ihre politische (Reform-) Agenda umzusetzen. So verfügt die KO im Parlament doch nicht über die notwendige Mehrheit, um das Veto des Präsidenten, das er bei jedem vom Parlament beschlossenen Gesetz hat, zu überstimmen. Stehen sich zudem fortan weiterhin in den wichtigsten politischen Ämtern des Landes Vertreter der national­konservativen PiS und der liberalen KO unversöhnlich gegenüber, droht Polen in den kommenden Jahren ein politischer Stillstand, wäre doch die Handlungsfähigkeit der Tusk-Regierung weiter merklich eingeschränkt. Dies könnte schließlich auch bei den KO-Wählern zu entsprechendem Unmut führen, was mit Blick auf die 2027 anstehende nächste Parlamentswahl wiederum der nationalkonservativen PiS in die Hände spielen könnte. Derartige Überlegungen dürften heute Morgen auch den Zloty umtreiben, welcher im Nachgang der ersten Wahlrunde gegenüber dem Euro spürbar nachgegeben hat.

 

-- Dr. Sandra Striffler