Industriestrompreis – nur ein Tropfen auf den heißen Stein

Das Bundeswirtschaftsministerium hat angekündigt, dass der staatliche Industriestrompreis nun doch ab Januar 2026 gelten soll, um energieintensive Industriezweige zu entlasten, die auf internationaler Ebene konkurrieren und unter den hohen Strompreisen im Inland leiden. Die tatsächliche Entlastung dürfte jedoch nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein sein – viel wichtiger wären strukturelle Reformen.
 

Das Bild zeigt zwei Diagramme, die Stromkosten und deren Aufteilung in Deutschland darstellen. 

Das linke Diagramm vergleicht die Industriestrompreise in Deutschland mit anderen Ländern, angegeben in Cent/kWh. Deutschland hat höhere Stromkosten im Vergleich zu Ländern wie den USA, China und Kanada.

Das rechte Diagramm zeigt die Bestandteile der Stromkosten für die Industrie in Deutschland von 2020 bis 2025, einschließlich Beschaffung, Vertrieb, Marge, sowie Umlagen, Steuern, Netzentgelte und Abgaben. Es veranschaulicht, wie diese Elemente über die Jahre variieren und welchen Anteil sie an den Gesamtkosten haben.


Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie plant die Einführung eines staatlich geförderten Industriestrompreises ab Januar 2026. Damit wird ein zentrales industriepolitisches Vorhaben umgesetzt, das darauf abzielt, die Wettbewerbsfähigkeit besonders stromintensiver und international exponierter Industriebranchen zu stabilisieren. Hintergrund sind anhaltend hohe Strompreise in Deutschland, die auch Jahre nach der Energiekrise 2022 über dem europäischen Durchschnitt liegen und energieintensive Unternehmen deutlich belasten.

 

Kern des Instruments ist ein staatlicher Zuschuss, der die Differenz zwischen dem Großhandelspreis und einem politisch definierten Zielpreis – vielfach mit rund fünf Cent je Kilowattstunde beziffert – teilweise ausgleicht. Die Maßnahme unterliegt strengen beihilferechtlichen Vorgaben der EU: Sie ist auf maximal drei Jahre begrenzt, gilt nur für bis zu 50% des Stromverbrauchs und verpflichtet die begünstigten Unternehmen, mindestens die Hälfte der erhaltenen Mittel in Maßnahmen zur nachhaltigen Transformation zu investieren. Förderfähig sind ausschließlich besonders stromintensive Sektoren im internationalen Wettbewerb, darunter Chemie, Stahl, Nichteisenmetalle, Glas, Papier und Baustoffe. Die Finanzierung erfolgt über den Klima- und Transformationsfonds; die Gesamtkosten werden auf rund 3,1 Milliarden Euro geschätzt.

 

Aus wirtschaftspolitischer Perspektive adressiert der Industriestrompreis zwar ein reales Wettbewerbsproblem, seine Wirksamkeit bleibt jedoch begrenzt. Der Kreis der Begünstigten ist eng gefasst, während zahlreiche ebenfalls energieintensive Unternehmen ausgeschlossen bleiben. Zudem besteht für viele anspruchsberechtigte Betriebe bereits Zugang zur Strompreiskompensation für indirekte CO₂-Kosten, wodurch der zusätzliche Entlastungseffekt weitgehend ausbleibt. Die tatsächliche Entlastung fällt darüber hinaus geringer aus, als der Zielpreis suggeriert, und ist durch zeitliche Befristungen sowie Zweckbindung stark eingeschränkt. Hinzu kommt, dass die Subvention lediglich Abhilfe bei den Beschaffungskosten verschafft und Nebenkosten unberücksichtigt bleiben. Dabei sind gerade die Belastungen durch Umlagen, Netzentgelte und Abgaben für Unternehmen in Deutschland besonders hoch.

 

Der Industriestrompreis wirkt damit primär symptomlindernd. Eine nachhaltige Sicherung der industriellen Wettbewerbsfähigkeit erfordert umfassendere Reformen des Energiesystems, insbesondere beim Ausbau erneuerbarer Energien, der Netzinfrastruktur und von Speichern sowie bei Genehmigungs- und Regulierungsstrukturen. Langfristig sind marktorientierte Instrumente und verlässliche Rahmenbedingungen entscheidend, um den Industriestandort dauerhaft zu stärken.

 

-- Linda Yu