Niederlande: Poldern statt poltern

Die Niederlande rücken zurück in die Mitte: Nach Geert Wilders Radikalität setzt das Land nun wieder auf Dialog statt Dauerkonflikt. D66-Chef Rob Jetten gewinnt die Wahl mit seinen Antworten auf Wohnungsnot, Migration und Wirtschaft.

 

Das Bild stellt ein Tortendiagramm dar, das die Sitzverteilung in der neuen Tweede Kamer (dem niederländischen Parlament) zeigt. 

**Details des Diagramms:**

1. **Parteien und Sitze**:
   - **VVD** (Volkspartij voor Vrijheid en Democratie): 22 Sitze
   - **D66:** 26 Sitze
   - **GL/PvdA:** 20 Sitze
   - **PVV:** 26 Sitze
   - **JA21:** 9 Sitze
   - **FvD:** 7 Sitze
   - **BBB:** 4 Sitze
   - **Denk:** 3 Sitze
   - **SP:** 2 Sitze
   - **PvdD:** 3 Sitze
   - **CU:** 3 Sitze
   - **3CU:** 3 Sitze
   - **PvdB:** 2 Sitze
   - **Vol: 1:** Sitz
   - **Volt:** 2 Sitze

2. **Politische Tendenz**: Der Titel des Diagramms weist darauf hin, dass die niederländischen Wähler der politischen Mitte wieder eine Mehrheit gegeben haben.

3. **Quelle**: Das Diagramm wurde von DPA/EPA erstellt und zeigt wahrscheinlich die derzeitige politische Landschaft der Niederlande basierend auf den neuesten Wahlergebnissen.

Dieses Diagramm vermittelt ein visuelles Verständnis der Machtbalance und der Mehrheitsverhältnisse im niederländischen Parlament nach den letzten Wahlen.

 

In den Niederlanden besteht seit Langem die schöne Tradition des Polderns – der Suche nach einem Kompromiss mit möglichst breitem Konsens. Diese Kultur war im vergangenen Jahrzehnt unter Druck geraten. Der Rechtspopulist Geert Wilders setzte stattdessen auf Poltern und war damit so erfolgreich, dass seine Partei PVV die Parlamentswahl vor zwei Jahren mit Abstand gewann. Dieser Politikstil zündete aber nicht in den Niederlanden – das Kabinett aus VVD von Ex-Premier Teflon-Rutte, dem Politikneuling NSC, dem anderen Neuling BBB und Dick Schoof als Premier (ein parteiloser Karrierebeamter, da Wilders für keinen Koalitionspartner als Premier akzeptabel war) überstand kaum elf Monate. Die Koalition zerbrach Stück für Stück und der König musste für den 29. Oktober Neuwahlen ausrufen, bei denen sich die Niederländer nun für Stabilität entschieden und die politische Mitte gestärkt haben.

 

Mithilfe großer Hinzugewinne auf den letzten Metern (so hatte es Wilders beim letzten Mal auch gemeistert) errang die Partei D66 unter Rob Jetten zusammen mit Wilders‘ PVV die meisten Stimmen. Beide kommen wohl auf 26 Vertreter in der 150 Sitze zählenden Tweede Kamer der niederländischen parlamentarischen Monarchie. D66 verdreifachte damit ihren Stimmenanteil, während die PVV elf Sitze im Vergleich zu 2023 verlor. Nicht ganz so dramatisch, aber doch unter Verlusten erreichten die VVD und GL/PvdA die weiteren Plätze – das schwache Abschneiden seiner Partei bewegte bereits den ehemaligen EU-Kommissar Frans Timmermanns zum Rückzug vom Parteivorsitz. Unter den insgesamt 27 angetretenen Parteien überraschte weiterhin der christlich-konservative CDA, der 13 Sitze hinzugewann und nun auf 18 kommt – damit spielt sie bei der kommenden Koalitionsbildung eine zentrale Rolle. Die beiden Partei-Neulinge NSC und BBB, die die niederländische Politik in den vergangenen Jahren seit der Corona-Pandemie aufgemischt hatten und am Schoof-Kabinett beteiligt waren, ließen eine eigene Parteibasis jenseits der Protestwähler vermissen und blieben unter ferner liefen, der NSC flog sogar aus dem Parlament.

 

Die Regierungsbildung wird dies nicht erleichtern: 15 Parteien sind im Parlament vertreten, und wenn man die PVV ausschließt, bedarf es für eine Mehrheit mindestens vier Partner. Am wahrscheinlichsten erscheint eine Koalition aus D66, VVD, CDA und eventuell GL/PvdA – ein Mittebündnis, das dafür stehen könnte, Investitionen mit Haushaltsdisziplin zu verbinden. Die tonangebende D66 gilt als wirtschaftsnah, proeuropäisch und sozialliberal. Mit Themen wie bezahlbarem Wohnraum, Fachkräftemangel und Energieeffizienz überzeugte ihr Vorsitzender Rob Jetten auch Wähler weit über das eigene Lager hinaus. Damit dürften zukünftig Themen wie Bildung, Wirtschaft oder Migration zielorientiert, und weniger dogmatisch, ausgehandelt werden, in der Fiskalpolitik hingegen kann weiterhin auf Konstanz gesetzt werden. Der bisherige Finanzplan für die kommenden Jahre sieht einen Anstieg der Schuldenquote von weit unter 50% vom BIP um locker zehn Prozentpunkte vor. Auch die Neuen an der Macht dürften diesen fiskalischen Spielraum für sich zu nutzen wissen, darüberhinausgehende Ausgabenpläne sind aber ebenso wenig zu erwarten wie Änderungen an der aktuellen Reform der niederländischen Betriebsrenten. Die niederländischen Staatsanleihen passierte der aktuelle Wahlausgang daher auch ohne besondere Vorkommnisse und sie halten ihren knappen Renditeaufschlag gegenüber Bundesanleihen unverändert bei, der vor allem auf der geringeren Markttiefe (und somit Handelbarkeit) sowie fehlenden Futures-Märkten basiert.

 

- René Albrecht