Deutscher Wohnungsmarkt: Kaum Neubau, Einfamilienhäuser werden zum Luxusgut
Die Nachrichtenlage am Immobilienmarkt wird besser. Doch die Pluszeichen vor Hauspreisen, Baugenehmigungen und dem Geschäftsklima für den Wohnbau versprechen zu viel. Alles andere wäre mit Blick auf steigende Baukosten, höhere Zinsen und mehr Arbeitslose auch ein Wunder.
So viele gute Nachrichten in kurzer Zeit gab es am Wohnungsmarkt schon länger nicht mehr. Der Bundestag beschließt den Bauturbo, Europace meldet bei den Hauspreisen im September einen „deutlichen Preisaufschwung“, die Tagesschau spricht von „deutlich mehr Baugenehmigungen“ und das ifo Institut berichtet, dass sich das „Geschäftsklima im Wohnungsbau deutlich verbessert“ hat. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich jedoch, dass das deutliche Plus auf niedrigen Ausgangswerten fußt. In der verbesserten Stimmung am Immobilienmarkt steckt ein guter Teil Hoffnung.
Der erfreuliche Preisanstieg bei Wohneigentum fällt mit einer Jahresrate von 2,7% eher moderat aus. Zudem steht den nominalen Preisen eine fast gleich hohe Inflationsrate von 2,4% (September) gegenüber, real stagnieren sie also weitgehend. Gebremst wird das Preistempo von den mit 3,6% für Darlehen mit zehnjähriger Zinsbindung zwar nicht allzu hohen Zinsen, die aber durch die in vielen Regionen teuren Immobilien die Kreditraten nach oben hebeln und so die Finanzierung erschweren. Die maue Konjunktur und die verschlechterte Lage am Arbeitsmarkt hemmen auch die Nachfrage. Schließlich setzt die Unterschrift unter einen Kreditvertrag über mehrere hunderttausend Euro Zuversicht voraus.
Das ebenfalls erfreuliche Plus bei den Baugenehmigungen folgt auf eine Talfahrt um über 40%. Der Anstieg ist wohl auch eine „technische Gegenreaktion“, denn Wohnraum wird gebraucht und das Interesse am Eigenheim als nach wie vor beliebteste Wohnform ist nicht erloschen. Für die Mittelschicht ist ein neu gebautes Einfamilienhaus angesichts hoher Bau- und Grundstückskosten aber zum kaum noch bezahlbaren Luxusgut geworden. Ähnlich sieht es im frei finanzierten Mietwohnungsbau aus. Bauprojekte werden zurückgestellt, weil erforderliche Kaltmieten von oft mehr als 20 Euro/m² von vielen Wohnungssuchenden nicht bezahlt werden können. Stärker wird der Neubau von Bauvorhaben für preisgedämpfte Mietwohnungen getragen, die dank eingesetzter Fördermittel auskömmliche Renditen ermöglichen und deren Vermietung auf Jahre praktisch garantiert ist. Hier steigen die Baukosten nicht mehr, weil die Wohnungen kleiner geplant werden.
Die Chancen für eine spürbare Erholung des Neubaus sind nicht allzu gut. Wohnungsgesellschaften fehlen die Mittel für den Neubau, weil sie die teure Sanierung des oftmals älteren Bestands finanzieren müssen. Außerdem steigen die Baukosten trotz verhaltenem Neubau weiterhin mit etwas mehr als 3% pro Jahr. Die Wohnungen lassen sich zum Kostendrücken aber auch nicht beliebig verkleinern. Abgespeckte Baustandards, bei denen der geplante Gebäudetyp E helfen soll, können die Kosten etwas dämpfen, teuer bleibt das Bauen damit aber auch. Der Bauturbo vereinfacht Genehmigungen, er verbilligt das Bauen aber nicht. Für viele Interessenten von Wohneigentum ist ein Neubau ohnehin zu teuer. Viel günstiger sind Bestandsimmobilien, bei denen aber Kompromissbereitschaft gefragt ist. Gesucht werden energiesparende Häuser mit Wärmepumpe, denen jedoch ein überwiegend jahrzehntealtes sowie mit Öl und Gas beheiztes Angebot gegenübersteht, sodass die Sanierung mitbedacht werden muss. Große Vorteile von Bestandsimmobilien sind, dass keine zusätzlichen Flächen versiegelt werden und die hohen CO2-Emissionen beim Neubau entfallen. Beide Aspekte dürfen noch an Bedeutung zunehmen.
-- Thorsten Lange

