Zahlen lügen nicht – oder doch?
Trump entlässt Chefin des Amtes für Arbeitsmarktstatistik nur Stunden nach Bekanntgabe schlechter Arbeitsmarktdaten – ist den Zahlen in Zukunft noch zu trauen? Und in Deutschland wird aus einer Quasi-Stagnation mit einem Federstrich eine moderate Rezession.
Wer geglaubt hatte, dass nach dem „Deal“ zwischen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und US-Präsident Donald Trump sommerliche Ruhe einkehren würde, sah sich getäuscht. Nur wenige Tage später ereilte es die Schweiz. Aus einem Handelsbilanzüberschuss von 38,5 Mrd. US-Dollar im Handel der Alpenrepublik mit den Vereinigten Staaten wurde flugs ein Zollsatz von 39%. Das ist noch kruder als die im Rosengarten des Weißen Hauses am „Liberation Day“ präsentierte Formel, mit der „faire“ Zollsätze für eine ganze Reihe von Staaten berechnet wurden. Die Vereinbarung mit Frau von der Leyen, nach der europäische Staaten in den kommenden Jahren 600 Mrd. Dollar in den USA investieren sollen, interpretiert Trump nun als „Geschenk“, mit dem er machen könne, was er wolle. Falls das Geld nicht käme, müsse eben der Zollsatz auf 35% angehoben werden. Und nebenbei droht Trump nun auch noch damit, den Zoll auf US-Importe von Arzneimitteln auf bis zu 250% anzuheben, während er andererseits einige Tage zuvor gesagt hatte, dass er allein es vermöge, die Preise für Arzneimittel um 600, 500, 1.500 Prozent (O-Ton!) zu senken.
Da passt es dann gut ins Bild, dass die Chefin des Amtes für Arbeitsmarktstatistiken Monika McEntarfer am 1. August entlassen wurde, nur Stunden nachdem ihr Amt schwache Daten für Juli präsentiert und deutliche Abwärtsrevisionen für die Vormonate vorgenommen hatte. „Shoot the messenger“, ist hier die Devise. Dabei waren die Daten für Juli sowie die Abwärtsrevisionen nicht unplausibel, da mit dem extremen Vorgehen der Beamten der Einwanderungsbehörde ICE gegenüber halb- oder illegal Beschäftigten massive Verzerrungen in der Statistik nicht überraschend sein konnten. Die Frage, die sich in Zukunft stellen wird, ist, inwieweit die Bürger, Unternehmen und die Kapitalmärkte den US-Daten noch trauen können, wenn zu befürchten ist, dass sie nicht mehr die Wahrheit widerspiegeln, sondern der Regierung ins Konzept passen müssen.
Dass der Teufel nicht nur im Detail steckt, sondern hin und wieder auch grundsätzliche Neubewertungen erforderlich sind, zeigen auch die BIP-Daten für Deutschland, die am 30. Juli vom Statistischen Bundesamt veröffentlicht wurden. Sie wurden rückwirkend massiv revidiert. So wurde – praktisch mit einem Federstrich – für die Jahre 2023 und 2024 aus einer De-facto-Stagnation eine moderate Rezession, indem die saison- und kalenderbereinigten Raten von -0,1% für 2023 und -0,2% für 2024 auf -0,7% 2023 und -0,5% 2024 herabrevidiert wurden. Derartig massive Revisionen sind sehr selten und haben, auch bei uns, zu erheblicher Verwunderung beigetragen. Immerhin muss hierzulande wohl niemand in der Behörde seine Entlassung fürchten. Genauere Gründe hierfür wurden bisher noch nicht bekanntgegeben. Mehr Klarheit erwarten wir, wenn am 22. August die Details veröffentlicht werden.
Bisher lügen Zahlen also nicht – weder diesseits noch (bisher) jenseits des Atlantiks. Aber sie zeigen zum Zeitpunkt ihrer Erstveröffentlichung eben auch nicht die ganze Wahrheit.
-- Dr. Jan Holthusen