Schwarz-roter Koalitionsvertrag: Der Staat wird jetzt selbst zum Unternehmer – mit offenem Ausgang
Union und SPD haben sich allenfalls auf eine begrenzte finanzielle Entlastung der Wirtschaft verständigt. Vielmehr wird der Staat mit den Mitteln aus dem Sondervermögen selbst zum Unternehmer – mit offenem Ausgang.

Nun steht er also, der Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD – und wie im Vorfeld bereits erwartet, ist er mehr Kompromiss als der ganz große Wurf. Unternehmen können auf Superabschreibungen und günstigere Strompreise, nicht aber auf baldige und nennenswerte Steuererleichterungen hoffen. Die bereits umfangreichen Subventionen werden aus- anstatt abgebaut und die großen, der Demographie geschuldeten Reformen der sozialen Sicherungssysteme werden in Kommissionen oder in die Zukunft verschoben. Ist damit der erhoffte und dringend notwendige Befreiungsschlag für Deutschland misslungen, bevor die Regierung überhaupt gestartet ist?
Nein, für einen Abgesang auf Schwarz-Rot ist es definitiv zu früh. Anstatt auf eine eher wirtschaftsliberale Politik zu setzen, die auf Deregulierung und attraktive Rahmenbedingungen baut, wie man sie insbesondere vom designierten Kanzler Merz erwartet hätte, ist der Ansatz der neuen Regierung eher die des aktiven Staates, der selbst zum Unternehmer wird. Der Schlüssel dazu wird das Sondervermögen in Höhe von 500 Mrd. Euro sowie die Zeitenwende in der Landesverteidigung sein. Seit Jahrzehnten hatte keine Bundesregierung so viele finanzielle Mittel zur Verfügung, die sie nicht zur akuten Krisenbewältigung, sondern zur Wiederherstellung der Infrastruktur und zur Förderung des Wachstumspotenzials einsetzen kann. Damit das Geld klug und zeitnah investiert wird, wird die Regierung vor allem die Bürokratie abbauen und die Digitalisierung vorantreiben müssen – beides Kernprobleme, bei denen es weniger ideologische Barrieren zwischen den Koalitionären gibt. Auch die geplante Abschaffung des Lieferkettengesetzes sowie die schlankeren Vergaberichtlinien können Deutschland voranbringen. Damit aber der Flaschenhals des Fachkräftemangels beseitigt wird, muss die versprochene Anwerbung ausländischer Arbeitnehmer ebenfalls in Gang kommen.
Blickt man auf die Vorzeigeprojekte des Staates in der jüngeren Vergangenheit, darunter der Berliner Flughafen BER oder das Bahnprojekt Stuttgart 21, darf man getrost skeptisch sein, dass ausgerechnet der Staat selbst in der Lage sein soll, den Grundstein des wirtschaftlichen Umschwungs zu legen. Die Koalition hat sich aber bewusst für diesen – mutmaßlich schwierigeren – Weg entschieden und ihr obliegt nun die Verantwortung, dass den in den kommenden Jahren stark steigenden Schulden auch ein höheres Wachstum gegenüberstehen wird, damit sich die düsteren Prognosen einiger Volkswirte von Rekordschuldenquoten nicht erfüllen. Deutlich optimistischer blickt ausgerechnet der Finanzmarkt auf Deutschland. Während das Vertrauen der Anleger in die USA in den vergangenen Wochen zu schwinden begann, wurden deutsche Staatsanleihen einmal mehr ihrem Ruf als sicherer Hafen gerecht und entwickelten sich zeitweise sogar besser als Gold. Die Verantwortung der zukünftigen Regierung könnte somit nicht größer sein. Sie muss sicherstellen, dass deutsche Schatz-Anleihen auch in vier Jahren noch goldgerändert glänzen.
-- Daniel Lenz