Aktienmärkte im Höhenrausch ... und auf wackeligen Beinen
DAX und Euro Stoxx 50 haben zwar einen beeindruckenden Jahresstart hingelegt. Ohne einen deutlichen Anstieg der Gewinnerwartungen kann die Stimmung – Trump lässt grüßen – jedoch rasch in Verunsicherung kippen.
Sowohl für den DAX als auch den Euro Stoxx 50 läuft mit plus 8% beziehungsweise 7% momentan der viertbeste Jahresstart der letzten 25 Jahre. Der S&P 500 konnte seit Jahresbeginn immerhin 4% auf über 6.100 Punkte zulegen, was ihm – übrigens ebenso wie dem DAX mit rund 21.500 Zählern – ein neues Allzeithoch bescherte.
Wesentlichen Einfluss auf die euphorische Stimmung bei DAX & Co. haben vor allem Entwicklungen in den USA. Hierzulande überwiegt derzeit die Hoffnung, dass es mit den US-Importzöllen u.a. gegenüber China wohl doch nicht ganz so schnell und drastisch zugehen könnte, wie es Trump im Wahlkampf angekündigt hatte. Vom marktseitig unterstellten Sinneswandel konnten unter anderem europäische Luxusgüterhersteller profitieren, für die das Reich der Mitte ein bedeutender Markt und die dortige wirtschaftliche Situation ein wichtiger Faktor sind. Ebenfalls ganz vorn auf der Liste der Kurstreiber steht einmal mehr das Thema Künstliche Intelligenz. Nicht nur wurden massive (private) Investitionen in neue Infrastruktur und Rechenzentren von bis zu 500 Mrd. US-Dollar in den nächsten Jahren angekündigt. Zugleich schaffte der neue US-Präsident Trump unter seinem Vorgänger eingeführte Regulierungsvorgaben ab und hob das Ziel hervor, mithilfe eines weitreichenden Ansatzes die Marktführerschaft der USA im KI-Bereich sicherzustellen. Zu guter Letzt ist auch die Berichtssaison für das vierte Quartal 2024 in den USA sehr gut angelaufen.
So erfreulich der erste Blick auf die vergangenen Wochen sein mag, gänzlich ungetrübt ist er nicht. So wurde der Kursanstieg bei allen Indizes beinahe ausschließlich durch eine Stimmungsaufhellung und keineswegs durch höhere Gewinnschätzungen getragen. Entsprechend höher tendiert das Bewertungsniveau. Beim DAX kletterte das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) jüngst (über die erste Standardabweichung nach oben und damit) in den teuren Bereich, beim Euro Stoxx 50 immerhin klar über den historischen Mittelwert. In noch höheren Gefilden bewegt sich das KGV des S&P 500, was ein Grund dafür sein dürfte, dass der US-Aktienindex in den vergangenen Tagen weniger stark von der Stimmungsaufhellung profitiert hat.
An den weltweiten Aktienmärkten konzentrieren sich Akteure derzeit vorrangig auf die positiven Aspekte der zu erwartenden Trump’schen Wirtschaftspolitik. Dass es diese aus Sicht der Aktienunternehmen – sowohl in den USA als auch in Europa – zweifellos gibt, steht zwar außer Frage. Dabei die Herausforderungen der Trump-Administration für die Finanzmärkte unter den Teppich zu kehren, dürfte jedoch alles andere als ratsam sein. Mittelfristig muss sich „nicht so schlimm wie befürchtet“ in „besser als erwartet“ wandeln, denn ohne einen deutlichen Anstieg der Gewinnerwartungen bei den in den Indizes vertretenen Unternehmen kann die Stimmung an den Aktienmärkten rasch in Verunsicherung kippen, gerade vor dem Hintergrund einer unberechenbarer werdenden geopolitischen Gemengelage.
-- Sören Hettler