Energiekrise – Die deutsche Chemieindustrie mit neuen Anpassungsstrategien
Die aktuelle Energiekrise, ausgelöst durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, hat zu einer deutlichen Verteuerung von Erdgas und Strom in Deutschland geführt. Diese Entwicklungen zwingen die energieintensive deutsche Chemieindustrie aufgrund stark gestiegener Produktionskosten zu Anpassungen ihrer Unternehmensstrategien.
Die aktuelle Energiekrise hat zu einer deutlichen Verteuerung von Erdgas und Energie in Deutschland geführt. Ein Rückgang der Erdgaspreise auf das Ex-ante-Niveau ist bis heute nicht eingetreten. Durch die erzwungene Abkopplung von russischen Erdgaslieferungen musste Deutschland innerhalb eines Jahres eine Lücke von 55% des Erdgasverbrauchs durch Einsparungen und andere Erdgaslieferanten, insbesondere LNG, schließen. Die Energiepreise, insbesondere für Erdgas, sind durch politische Entscheidungen und Angebotsverknappungen massiv gestiegen. Trotz einer Normalisierung gegenüber den Spitzenwerten in den Jahren 2022 bis 2023 liegt der Erdgaspreis immer noch auf einem höheren Niveau als vor dem Krieg in der Ukraine, dem „New Normal“. Die relative Wettbewerbssituation für Deutschland und Europa gegenüber China und den USA wird sich unter diesen Bedingungen schlecht bleiben. Besonders deutlich wird dies am Spread des europäischen gegenüber dem amerikanischen Gaspreis. Bis 2020 lag der Spread zum amerikanischen Gaspreis bei 2 bis 3 USD/MMBtu, heute liegt er bei rund 10 USD/MMBtu. Durch die angekündigten Steigerungen der LNG-Produktion z.B. in den USA, Katar, Kanada und Australien könnten die Erdgaspreise in Deutschland bis 2026/2027 wieder sinken.
Die deutschen Chemieunternehmen haben auf die steigenden Energiekosten mit verschiedenen Anpassungsstrategien reagiert. Dazu gehören Effizienzsteigerungen, die Verlagerung erdgasintensiver Produktion ins Ausland und die Substitution durch alternative Energieträger. So hat BASF beschlossen, die Produktion von Ammoniak, Caprolactam, TDI (Polyurethan-Vorprodukt), CDon/CPon und Adipinsäure in Ludwigshafen zu schließen bzw. zu verlagern. Dies entspricht mehr als 5 TWh Erdgas, wovon der Löwenanteil auf Ammoniak entfällt. Bis Ende 2026 will BASF damit jährlich mehr als 200 Mio. EUR einsparen. Dies entspricht ca. 6% der geschätzten weltweiten Energiekosten von BASF im Jahr 2023. Betroffen sind ca. 10% des Wiederbeschaffungswertes der Produktionsanlagen am Standort und 700 Mitarbeiter (ca. 2% am Standort Ludwigshafen). Die langfristigen Folgen der Energiekrise könnten ohne staatliche Unterstützung in der Transformationsphase zu weltweiten Marktanteilsverlusten führen. Weitere Produktionsverlagerungen in Länder mit günstigeren Energiepreisen sind derzeit zwar nicht geplant, allerdings werden Investitionen zukünftig vor allem in Amerika und Asien und nicht mehr in Europa stattfinden. Zudem werden Energieeffizienz und der Einsatz alternativer Energieträger forciert.
-- Peter Spengler