Reiseboom – Eintagsfliege oder nachhaltiger Trend?

Kaum eine Branche bekam die Auswirkungen von COVID-19 so drastisch und unmittelbar zu spüren wie der Reise- und Tourismussektor. Umfangreiche Impfkampagnen und gelockerte Kontaktbeschränkungen sorgten für wieder mehr Reisemöglichkeiten, die sich in einer raschen Erholung des Sektors widerspiegelten. Gleichzeitig stiegen die Reisekosten rasant. Chancen und Herausforderungen prägen gleichermaßen die weitere Entwicklung.
 


Vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie war der Reisemarkt ein dynamischer und expan­dier­en­der Sektor mit überdurchschnittlichen Zuwachsraten. Noch im Jahr 2019 erreichten die internationalen Touristenströme einen historischen Höchststand: Nach Angaben des World Travel & Tourism Council (WTTC) erwirtschaftete die glo­bale Reisebranche rund 9,2 Bio. US-Dollar und trug da­mit rund 10% zum globalen Bruttoinlands­produkt bei. Doch die Aus­wirkungen von COVID-19 haben den Sektor schwer getroffen und eine veritable Krise ausgelöst. In der Folge brach der globale Umsatz im Jahr 2020 um fast 50% ein, während die Verluste sich auf satte 4,5 Bio. US-Dol­lar beliefen. Dabei gingen nach An­gaben des WTTC rund 19% der Arbeitsplätze in der Branche verloren.

 

Seit 2021 erholt sich der Reisemarkt jedoch dynamisch und schneller als ursprünglich er­wartet. Zu verdanken ist dies den Impfkampagnen und der Lockerung der umfangreichen Reisebe­schrän­kun­gen, die eine gesteigerte Reiselust auslösten. Der WTTC geht davon aus, dass sich der Reise- und Tourismussektor im laufen­den Jahr seinem Höchststand nähert und der Umsatz des Jahres 2019 bereits 2024 überschritten wird. Zu dieser Entwicklung dürften die gestiegenen Preise beitragen, nicht zuletzt infolge der hohen Nachfrage, die auf ein eingeschränktes Kapazitätsangebot trifft.

 

Im Zuge der Erholung der Tourismusindustrie sind in den letzten Monaten auch die Gewinn­erwartungen für die Luftfahrtindustrie deutlich gestiegen. Weitere Profiteure der gestiegenen Reisenachfrage sind die Wartungsindustrie sowie der Mietwagenmarkt. Die Abwärtstendenz in den Bewertungen des Sektors bleibt jedoch weiterhin bestehen. Dies könnte zum einen auf die allgemeine Unsicher­heit und die eingetrüb­ten Konjunktur­aus­sichten zurückzuführen sein, die am Kapitalmarkt Zweifel an der Nachhaltigkeit der positiven Nachfrage­ent­wicklung aufkommen lassen. Zum anderen besteht die Möglichkeit, dass Anleger Aktien der Luftfahrtbranche mei­den, weil sie strengere Umwelt- und Klimaauflagen erwarten, die den Sektor vor Schwierigkeiten stellen.

 

Dennoch bleiben die Aussichten für den Sektor auf lange Sicht optimistisch. So prognostiziert das WTTC für den Zeitraum 2022 bis 2032 ein durchschnittliches jährliches Branchenwachstum von 5,8% und damit einen Zuwachs über dem des globalen BIPs. Wir erwarten trotz der bestehenden Herausforderungen, dass sich die beiden als langlebig und robust geltenden Megatrends Mobilität und Reiselust in den Industrieländern nicht nur 2023, sondern auch darüber hinaus behaupten und für Rückenwind in der Branche sorgen werden.

 

-- Thomas Kulp und Dirk Schlamp