Niederlande: Der Dealmaker geht, der Protest kommt

Die Koalition des niederländischen Ministerpräsidenten Rutte ist wegen unüberbrückbarer Differenzen in der Asylpolitik gescheitert. Rutte plant nun den Rückzug aus der Politik, gleichzeitig mischt die Bauer-Bürger-Bewegung das politische Parkett in Den Haag auf. Niederländische Staatsanleihen zeigten sich bislang unbeeindruckt.

 

Wieder nicht geschafft. Vorzeitig bricht in den Niederlanden auch die zweite liberal-konservative Regierungskoalition aus VVD, D66, CDA und CU im Streit auseinander. Nach fast 13 Jahren als Premier nimmt Mark Rutte nun seinen Hut. Der Schritt kommt überraschend, denn Rutte hatte bislang nicht nur den Beinamen „Teflon“, an dem alle Krisen abperlen, sondern auch den Ruf eines Dealmakers, der mit allen im Gespräch blieb und am Ende immer einen Ausweg fand, innen- wie außenpolitisch.

 

Trotzdem oder vielmehr deswegen wird sein politisches Erbe kein einfaches sein – das zeigt der jetzige Rücktritt im Streit. Viele weitere Baustellen warten, denn Rutte war kein Zauberer – nur eine seiner vier Koalitionen überlebte eine gesamte Legislaturperiode. Zudem rockt ein neuer Shootingstar die politische Bühne in Den Haag – die 2019 gegründete Bauer-Bürger-Bewegung (BBB). Sie hat ihre Wurzeln im Protest der Bauern gegen strengere Umweltauflagen, punktet mittlerweile aber auch im bürgerlichen Milieu mit einer selbsternannten, sozial-rechten Agenda.

 

Der Sieg der BBB bei den Provinzwahlen war also nur ein Vorgeschmack für neue Verhältnisse in Den Haag: In den Niederlanden hat die Popularität von Protestparteien zwar oftmals eine begrenzte Halbwertzeit, die für frühestens November anberaumten Neuwahlen treffen die BBB aber zum denkbar günstigsten Zeitpunkt.

 

Der neue Big-Player macht den Platzhirschen im Parlament die Sitze streitig und könnte an einer neuen Regierung beteiligt sein, ja sogar den Auftrag zu deren Bildung bekommen. Der Trend zu populistischen Regierungen in der EU hält also an. Ein womöglich neuer Anti-Establishment-Politikansatz des bisherigen Frugalisten wäre auch eine Unbekannte für Brüssel und erleichtert womöglich in Zukunft nicht unbedingt die Konsensfähigkeit der Gemeinschaft.

 

Am Markt für niederländische Staatsanleihen fand das Phänomen „Regierungsbeteiligung der BBB“ bislang kaum Berücksichtigung – die Staatsfinanzen und Bonität sind exzellent, daran werden auch politische Unsicherheiten auf die Schnelle nichts ändern.

 

-- René Albrecht


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