Zankapfel ESM-Reform: Italien verschiebt Ratifizierung

Italien hat Vorbehalte gegen die beschlossene ESM-Reform und zögert daher ihre Ratifizierung heraus. Ministerpräsidentin Meloni fordert im Gegenzug für eine Zustimmung die Lockerung der Regeln des EU-Stabilitäts- und Wachstumspaktes.

 

Europas Mühlen mahlen meist (zu) langsam. Die Reform des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) wurde eigentlich bereits im November 2020 beschlossen, sie ist aber noch immer nicht in Kraft getreten. Der Grund: Die Ratifizierung des Vertrages durch die Mitgliedsstaaten steht weiterhin aus. Inzwischen fehlt nur noch die Unterschrift Italiens. Allerdings hat die Regierung Meloni vor kurzem angekündigt, dass es eine Parlamentsabstimmung über die Ratifizierung nicht vor dem Herbst geben werde – also bereits drei Jahre nach der Beschlussfassung durch die Finanzminister.

 

Auf den ersten Blick verwundert die Hinhaltetaktik Roms, denn die angedachten Reformen kämen auch Italien zugute. So könnte der ESM in Zukunft Hilfspakte für Länder schnüren, ohne dass sie ein „makroökonomisches Anpassungsprogramm” akzeptieren müssten. Ein solches Hilfspaket wäre vor allem dann möglich, wenn ein negativer Schock von außen ein ansonsten wirtschaftlich solides Land träfe – wenngleich die Frage nach der wirtschaftlichen “Solidität” wiederum politischen Interpretationsspielraum zuließe. Außerdem soll der ESM eine Letztsicherung für den einheitlichen europäischen Abwicklungsfonds (Single Resolution Fund – SRF) bereitstellen. Damit könnte er verstärkt auch bei Bankenkrisen zum Einsatz kommen.

 

Nichtsdestotrotz ist die Skepsis gegenüber dem ESM gerade in Italien groß. Parteien von links bis rechts sehen in ihm ein Instrument Brüssels aber auch Berlins, Einfluss auf die nationale Politik der Mitgliedsstaaten zu nehmen und somit ihre Souveränität zu unterlaufen. Anstatt den ESM zu modernisieren, sprechen sich etliche italienische Politiker für stärkere fiskalische Freiräume der Nationalstaaten aus. Ministerpräsidentin Meloni weiß allerdings, dass Italien die ESM-Reform nicht dauerhaft blockieren kann. Daher setzt Rom derzeit auf einen Kompromiss: eine Zustimmung zur ESM-Reform zugunsten einer Lockerung der Regeln des EU-Stabilitäts- und Wachstumspakts. Hier gibt sich allerdings Bundesfinanzminister Lindner bislang hart und auch die EU-Kommission möchte die beiden Themen nicht vermischen, sodass sich die Gemeinschaft am Ende letztlich treu bleibt: Europas Mühlen mahlen nach wie vor (zu) langsam.

 

Daniel Lenz