Chinas Erholung nicht so stark, wie es auf den ersten Blick scheint

Die chinesische Wirtschaft überrascht mit einem vergleichsweise kräftigen Vorjahreswachstum von 4,5% in Q1 2023. Details zeigen aber, dass der Öffnungsschub gar nicht so dynamisch ist und nur einige Wirtschaftsbereiche profitieren.
 

Dass Chinas Zahlen zum Wirtschaftswachstum vom ersten Quartal gut ausfallen würden, weil die chinesische Wirtschaft in den vergangenen Monaten deutlich von positiven Öffnungseffekten nach dem Ende der Null-Covid-Politik profitiert hat, war absehbar. Vielmehr stellte sich im Vorfeld der Veröffentlichung die Frage, wie stark die Erholung der zweitgrößten Volkswirtschaft derzeit ist – auch mit Blick auf ihre stützende Wirkung für die angeschlagene Weltwirtschaft. Jetzt haben die aktuell gemeldeten Wachstumswerte die Erwartungen zum Teil sogar noch deutlich übertroffen: Mit 4,5% ist das Wirtschaftswachstum gegenüber dem Vorjahr (J/J) im zurückliegenden Quartal wesentlich höher ausgefallen als wir geschätzt hatten. Was auf den ersten Blick optimistisch stimmt, relativiert sich jedoch auf den zweiten. Der Anstieg der Wirtschaftsleistung gegenüber dem Vorquartal (Q/Q) war mit 2,2% zwar ganz wie erwartet überdurchschnittlich, aber keineswegs außergewöhnlich dynamisch. Details zur jüngsten wirtschaftlichen Entwicklung offenbaren darüber hinaus eine sehr ungleiche Erholung.

 

So blieb die Entwicklung in der Industrie und in der Bauwirtschaft und damit in zwei wesentlichen Bereichen der chinesischen Wirtschaft insgesamt eher verhalten. Die Industrie leidet vor allem unter der gedämpften globalen Nachfrage. Daran dürfte sich auch in den kommenden Monaten angesichts einer sich abkühlenden US-Wirtschaft wenig ändern. Derweil scheint der chinesische Immobilienmarkt seine Krise der letzten zwei Jahre inzwischen zwar hinter sich gelassen zu haben. Beim Wohnungsbau ist die Entspannung aber noch nicht angekommen, er schrumpfte auch zuletzt weiter stark. Die gesamtwirtschaftliche Erholung im zurückliegenden Quartal beruht also fast ausschließlich auf kräftigen Zuwächsen des privaten Konsums, vor allem bei Dienstleistungen wie Restaurantbesuchen oder Reisen. Hier gibt es bei den Verbrauchern nach drei Jahren Null-Covid-Politik verständlicherweise den größten Nachholbedarf. Aber so richtig scheinen die Konsumenten noch nicht in der Post-Corona-Zeit angekommen zu sein. Das Verbrauchervertrauen hat sich in den vergangenen Monaten nur unzureichend erholt, die tiefe Verunsicherung ist längst nicht gewichen. Solange es hier keine durchgreifende Verbesserung gibt, dürfte der Rebound beim Konsum schnell wieder in sich zusammenfallen.

 

Wir bleiben daher vorsichtig mit unserer Einschätzung zum Konjunkturausblick für China. Das diesjährige Wachstumsziel von 5% dürfte die Wirtschaft – anders als im Vorjahr – im laufenden Jahr zwar problemlos übertreffen. Wir rechnen 2023 mit einem Wirtschaftswachstum von 5,5%. Dabei spielen aber die schwachen Vergleichswerte vom Vorjahr eine wesentliche Rolle. Der eigentliche Wachstumsschub dürfte hingegen schon bald wieder an Schwung verlieren. Auch Chinas Importsog – und darauf kommt es für die Weltwirtschaft ja an – ist bislang verhalten und dürfte es, da Industrie und Bauwirtschaft schwächeln und die Verbraucher vor allem heimische Dienstleistungen konsumieren, auch erst einmal bleiben. In die Rolle der Konjunkturlokomotive wird China daher wohl nicht schlüpfen.

 

-- Monika Boven