EWU-Arbeitsmarkt: Rekordstände und Arbeitskräftemangel
Der Arbeitsmarkt im Euro-Raum zeigt sich erstaunlich robust. Die Arbeitslosenquote verharrt auf historisch niedrigem Niveau und die Beschäftigungsaussichten verbessern sich wieder spürbar. Allerdings ist der europäische Binnenarbeitsmarkt „leergefegt“. Die Unternehmen klagen über zunehmende Schwierigkeiten, geeignetes Personal zu finden.
Der europäische Arbeitsmarkt zeigt sich weiterhin erstaunlich robust. Die Arbeitslosenquote im Euro-Raum stabilisierte sich im Februar mit 6,6% auf einem historischen Tiefstand. Die Spannweite der Arbeitslosenquoten zwischen den einzelnen Euroländern ist dabei nach wie vor sehr groß. In Deutschland, dem Euroland mit der derzeit niedrigsten Quote (2,9%; nach ILO-Methodik), herrscht praktisch Vollbeschäftigung. Daran hat auch der starke Zustrom ukrainischer Flüchtlinge wenig geändert. Spanien (12,8%) und Griechenland (11,4%) belegen dagegen seit Jahren die letzten Plätze. In beiden Ländern führen strukturelle Probleme wie eine Überregulierung des Arbeitsmarktes, eine ausgeprägte Schattenwirtschaft, eine starke Abhängigkeit vom Tourismussektor sowie ein hoher Anteil an Langzeitarbeitslosigkeit zu einer anhaltend problematischen Entwicklung.
Eine Fortsetzung des kräftigen EWU-Beschäftigungsaufbaus ist vorerst nicht zu erwarten. Denn der europäische Arbeitsmarkt ist weitgehend „abgegrast“. Die Unternehmen klagen über zunehmende Schwierigkeiten, Arbeitskräfte in ausreichender Zahl zu finden. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt ist in ganz Europa angespannt. Der Mangel betrifft dabei längst nicht mehr nur „hochqualifizierte“ Fachkräfte. Je nach Euroland erstreckt sich die Nachfrage mittlerweile auf eine Vielzahl von Berufsgruppen. Besonders betroffen sind unter anderem das Gesundheitswesen, das Baugewerbe und der Tourismus.
Kurzfristig könnte allenfalls eine beschleunigte Integration der ukrainischen Flüchtlinge den Arbeitskräftebedarf zumindest etwas lindern. Einzelne Länderstatistiken sowie eine OECD-Analyse deuten jedenfalls darauf hin, dass hier noch ein größeres Arbeitskräftepotenzial vorhanden ist. Eine langfristige Lösung ist dies allerdings nicht. Sollte der russische Krieg gegen die Ukraine in eine Ruhephase kommen, ist damit zu rechnen, dass ein nicht unerheblicher Teil der geflüchteten Ukrainer in ihr Heimatland zurückkehren wird. Bis dahin sollten die Euroländer mit den größeren Fachkräfteproblemen eine einigermaßen tragfähige Lösung gefunden haben. Andernfalls könnte sich das EWU-Arbeitskräfteproblem in einer ungünstigen Phase schlagartig verschärfen.
-- Matthias Schupeta