Neuer Lehman-Moment: Die Lage bleibt trotz der Credit Suisse Rettung brisant

Die jüngsten Bank-Turbulenzen lassen überwunden geglaubte Erinnerungen wach werden. Erst der Kollaps der Silicon Valley Bank (SVB) und nun die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS. Droht nach Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg mit einer neuen Finanzkrise der nächste Wirtschaftsschock? Und was bedeutet die Marktunsicherheit für die Zinswende?

 

Der Begriff „Bankenrettung“ ist zurück – wie wirkt sich die prekäre Situation rund um die Credit Suisse auf die Finanzbranche aus?

Durch die Schieflagen von SVB, Signature Bank und First Republic Bank in den USA und die strauchelnde Credit Suisse ist die Unsicherheit an den weltweiten Kapitalmärkten in den letzten beiden Wochen enorm gestiegen. Bezeichnend ist, dass die Maßnahmen der Schweizer Notenbank nicht ausgereicht haben, um die Credit Suisse zu stabilisieren. Für Beruhigung soll nun die Übernahme durch die UBS sorgen. Die Lage ist brisant, denn wir beobachten negative und sich verstärkende Preis-Erwartungsspiralen, die die Vertrauenskrise anheizen und die sich ohne externe Hilfe nur schwer stoppen lassen. Investoren benötigen zur Stabilisierung der Erwartungen Anker, die in der Vergangenheit häufig von den Notenbanken kamen. Die schwierige Lage rührt zusätzlich daher, dass der Auslöser der momentanen Situation so unbestimmt ist und mehr oder weniger alle Banken betroffen sind. Die Situation dürfte trotz der nun für die Credit Suisse gefundenen Lösung weiter volatil bleiben, da erneut negative Meldungen von US-Regionalbanken folgen könnten.

 

Die Bankenregulierung wurde 2008 hochgefahren – was ist jetzt anders und wie groß ist die Ansteckungsgefahr für europäische Banken?

Banken müssen heute deutlich mehr und qualitativ besseres Eigenkapital vorhalten. Auch die direkten Ansteckungseffekte sind deutlich geringer als 2008. Das hat mit der geringeren Vernetzung der Banken untereinander über Derivate oder Interbankenkredite zu tun. Trotzdem haben die vergangenen Tage gezeigt, dass die Aufrechterhaltung von Liquidität stark von Vertrauen abhängig ist und auch die Einhaltung aller regulatorischen Vorgaben diese nicht komplett garantieren kann. Aus heutiger Sicht ist jedoch auch die Gefahr indirekter Ansteckungseffekte für europäische Banken eher gering. Credit Suisse wird marktseitig schon seit längerem als ein Restrukturierungsfall eingestuft, da die Bank seit Jahren mit einer Vielzahl von Problemen kämpft. Die europäischen Banken stehen im Hinblick auf Eigenkapital und Liquidität sehr gut da. Dank der Leitzinserhöhungen der Notenbanken konnten sie auch bei der Rentabilität ihren Rückstand zu Kreditinstituten anderer Regionen verringern. Die kleinen Banken in Europa sind zudem meist in stabilisierenden Verbünden organisiert und damit bei Weitem nicht so anfällig für Vertrauenskrisen wie die US-Regionalbanken, die komplett unabhängig voneinander operieren.

 

Was bedeutet die Unruhe für den Aktienmarkt?

Die Turbulenzen seit Ende vorletzter Woche haben zu deutlichen Kurseinbußen geführt. Seit Jahresbeginn liegen der deutsche Leitindex und der Euro Stoxx 50 aber mit einem Wachstum von sechs Prozent weiter im Plus. In den kommenden Tagen wird es an den Börsen zwar volatil bleiben, die fundamentalen Rahmendaten sprechen aber insgesamt für ein moderates Aufwärtspotenzial. Das absehbare Ende der Zinserhöhungen in den USA, die derzeit sichere Energieversorgung in Europa sowie das Ende der Null-Covid-Strategie sollten den Börsen mittelfristig Auftrieb verleihen. Zudem haben viele Großunternehmen im vergangenen Jahr unter Beweis gestellt, dass sie auch unter schwierigsten Umständen Gewinne erzielen können.

 

Was bedeutet die aktuelle Lage für den bevorstehenden Zinsentscheid der Federal Reserve (Fed)?

Während die EZB gute Gründe hatte, den Leitzins in der vergangenen Woche erneut um 50 Basispunkte anzuheben, ist die Situation für die Fed schwieriger. Zwar hat auch die US-Notenbank die Inflation weiter fest im Blick, gleichzeitig wird sie jedoch vermeiden wollen, mit einer weiteren aggressiven geldpolitischen Straffung Öl ins Feuer zu gießen. Wir gehen daher davon aus, dass sie die Leitzinsen nur um 25 Basispunkte erhöhen wird. Gleichzeitig dürfte Jerome Powell signalisieren, dass damit erstmal das Ende der Fahnenstange erreicht ist. Da sich das Leitzinsniveau in den USA bereits auf einem sehr restriktiven Niveau befindet, steht das auch nicht im Konflikt mit dem Inflationsziel der Fed. Entscheidet sich die Notenbank dazu, den Leitzins unverändert zu lassen, könnte das vom Markt als Panikreaktion verstanden werden.

 

Und wie positionieren sich die westlichen Notenbanken nun grundsätzlich?

Sie fahren auf Sicht. Klar ist, dass sie eine ausreichende Liquiditätsversorgung gewährleisten werden, was die Lage beruhigen sollte. Was die Leitzinsen betrifft, so muss ein Spagat zwischen Krisenmanagement und Inflationsbekämpfung gelingen. Denn so besorgniserregend die aktuelle Lage in der Bankenlandschaft auch sein mag, an der Ausgangslage hat sich nichts geändert. Für die Zentralbanken muss die Preisstabilität ganz oben auf der Agenda stehen. Vernachlässigen sie dieses Mandat, besteht die Gefahr, dass sich die Inflationserwartungen hinterher schwer wieder einfangen lassen. Die eleganteste Lösung für das aktuelle Dilemma der Notenbanken wäre eine langsamere Fortsetzung der Leitzinserhöhungen bei gleichzeitiger Bereitstellung von ausreichender Liquidität.

 

-- DZ Research Team