Frankreich: Allen Widrigkeiten zum Trotz

Die französische Regierung hat zwei Misstrauensvoten überstanden: Damit kann die von weiten Teilen der Bevölkerung abgelehnte Rentenreform in Kraft treten. Weitere Proteste sind zu erwarten.

 

Der französische Staatspräsident Macron kann seit gestern von sich behaupten, ein zentrales Versprechen seines Wahlkampfs eingelöst zu haben: Die Rentenreform, deren zentraler Aspekt die Anhebung des Renteneintrittsalters von 62 auf 64 Jahre ist, tritt in Kraft. Zwei Misstrauensanträge gegen die Regierung von Premierministerin Borne scheiterten, einer davon denkbar knapp: 278 Abgeordnete der Nationalversammlung sprachen ihr das Misstrauen aus, 287 wären für eine Mehrheit nötig geworden. Die Anträge waren erwartet worden, nachdem die Regierung am vergangenen Donnerstag von Artikel 49.3 der französischen Verfassung Gebrauch gemacht hatte. Dieser ermöglicht in Haushaltsbelangen eine Gesetzesänderung, ohne über diese direkt im Parlament abstimmen zu müssen.

 

Ob damit tatsächlich das letzte Wort in dieser hocherhitzten Debatte gesprochen ist, bleibt abzuwarten. Die Opposition hat eine Anrufung des Verfassungsrates und die Anstrengung eines Referendums angekündigt. Die Gewerkschaften haben bereits weitere Streiks in Aussicht gestellt. Macron dürfte versuchen, die Gemüter mit Hilfe einer Kabinettsumbildung zu besänftigen. Premierministerin Borne könnte als Bauernopfer diesem Zuge zum Opfer fallen. Trotz aller Kritik: Artikel 49.3 ist ein legitimer Artikel des Gesetzgebungsprozesses der Fünften Republik. Letztlich zeichnet sich Staatsführung auch durch den Willen aus, unpopuläre Entscheidungen im Hier und Jetzt, mit der Aussicht auf langfristig positive Folgen (in diesem Falle zugunsten der fiskalischen Stabilität), zu treffen. Macron dürfte bei dieser Abwägung berücksichtigt haben, dass er nach dem Ende seiner regulären Amtszeit im Jahr 2027 nicht wiedergewählt werden kann. Ob er diesen Turnus aber komplett absolvieren wird, steht angesichts der fehlenden Parlamentsmehrheit und seiner niedrigen Beliebtheitswerte auf einem anderen Blatt.

 

Die entlastenden fiskalischen Folgen der Reform (die Anhebung erfolgt graduell bis 2030) dürften erst in den kommenden Jahren spürbar werden. Dem steht die Aussicht auf eine verbleibende Amtszeit des amtierenden Staatspräsidenten als (zumindest innenpolitisch) „lahme Ente“ entgegen. Mit Blick auf die Ratings könnte der Reformerfolg jedoch entlastend wirken und Fitch und S&P veranlassen, ihre negativen Ausblicke in stabile umzumünzen. Die nächsten Termine für eine Anpassung finden sich im Ratingkalender am 24. März (DBRS), 21. April (Moody´s), 28. April (Fitch) und 2. Juni (S&P).

 

-- Christian Lenk