Ungarns Wirtschaft im Wuergegriff der Inflation
Eine der wichtigen EU-Wirtschaftslokomotiven hat scharf gebremst. Ungarn befindet sich seit dem Sommer 2022 in einer wirtschaftlichen Rezession. Die hohen Inflationsraten belasten die Kaufkraft der Verbraucher. Zudem wurden EU-Gelder eingefroren und der Exportsektor befindet sich in einem schwierigen Umfeld. Die Konjunkturaussichten sind deutlich getrübt.
Trotz der multiplen Krisen der letzten Jahre konnte sich Ungarn zumindest wirtschaftlich gut behaupten. Mit einem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 7,1% in 2021 und 4,8% in 2022 lagen die Zuwachsraten sichtbar über dem EU-Durchschnitt (2021: 5,4%; 2022: 3,4%). Inzwischen hat sich das Bild jedoch gewandelt. Nachdem Ungarn im Sommerquartal 2022 einen Rückgang des BIP verzeichnete, folgte im vierten Quartal ein zweiter Dämpfer. Damit befindet sich das mitteleuropäische Land in einer „technischen“ Rezession.
Symptomatisch für die aktuelle konjunkturelle Schwächephase ist vor allem auch der sehr hohe Anstieg der Verbraucherpreise (Feb’23: 25,8% J/J). Um zu verstehen, wie es zu dem Höhenflug kommen konnte, lohnt sich ein Blick auf die vergangenen Jahre. Denn neben den sogenannten „exogenen Schocks“ durch Pandemie, Lieferketten, Dürre und Ukraine-Krieg gibt es eine Vielzahl hausgemachter wirtschaftspolitischer Inflationstreiber. Dazu zählen vor allem die umfangreichen staatlichen Markteingriffe in die Preis- und Zinsbildung, die seit 2022 weitgehend gelockert wurden. Dies hat die Preise bestimmter Warenkorbgruppen massiv nach oben getrieben.
Darüber hinaus sorgt aber auch eine stark expansiv orientierte Fiskalpolitik in den letzten Jahren, eine ungünstige Wechselkursentwicklung sowie deutlich steigende Löhne für einen anhaltenden Aufwärtsdruck auf die Verbraucherpreise. Da die ungarische Inflationsrate jedoch deutlich schneller steigt als die Löhne, entwickeln sich die Reallöhne negativ. In der Folge sinkt auch die Kaufkraft der privaten Haushalte. Damit wird eine der tragenden Säulen des Wirtschaftswachstums deutlich gebremst.
Wegen Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit wurden Ungarn zudem Ende 2022 EU-Mittel in Höhe von 6,3 Milliarden Euro gesperrt. Gelder, die dem Land nun für Investitionsprojekte fehlen werden. Sollte Orbans Regierung die EU-Grundrechtecharta nicht einhalten, könnte sich die Summe der zurückgehaltenen Gelder in den kommenden fünf Jahren auf 22 Milliarden Euro erhöhen. Da auch der wichtige Exportsektor aufgrund der müden internationalen Nachfrage nicht in Schwung kommt, bleiben die Konjunkturaussichten sowohl in diesem als auch im kommenden Jahr eingetrübt.
-- Matthias Schupeta