Risikoaversion nimmt zu, Panik herrscht keine

Die Probleme in speziellen Teilen der US-Bankenlandschaft haben ihre Spuren an den Anleihemärkten hinterlassen. Insbesondere die Risikoprämien riskanterer Anleihen sind am aktuellen Rand deutlich gestiegen.

 

Es ist wie eine Art Reflex an den Anleihemärkten: Kommt es zu einem Risikoszenario, werden zuerst die riskanteren Anleihetitel veräußert und die freigewordene Liquidität wird in den sicheren Häfen geparkt. Die aktuellen Entwicklungen bilden da keine Ausnahme. Auslöser sind Probleme spezifischer Bankeninstitute in den Vereinigten Staaten. Auch wenn von Insolvenzen bis dato lediglich Spezialbanken betroffen waren, so nehmen doch aufgrund der nicht unbeträchtlichen Größe der liquidierten Banken Spekulationen über eine Ausweitung der Turbulenzen im Bankensektor zu.

 

Vor dem Hintergrund dieses Risikoszenarios ist es in den vergangenen Tagen zu einem deutlichen Anstieg der Risikoaufschläge im High-Yield-Sektor gekommen. Da die Bonität der Emittenten von High-Yield-Anleihen keinen Investment-Grade-Status hat, wird ihre Auswahlwahrscheinlichkeit dementsprechend deutlich höher eingestuft. Somit verwundert es nicht, dass sich der durchschnittliche Risikoaufschlag der High-Yield-Anleihen im US-Dollar-Markt von 390 Basispunkten (Bp.) auf zuletzt 492 Bp. signifikant erhöht hat. Herrscht jetzt Panik am Markt? Nein. Werden die aktuellen Risikoaufschläge im riskantesten Anleihebereich in einen historischen Kontext eingebettet, so ist das aktuelle Niveau der Risikoprämien noch vergleichsweise niedrig. Zu Beginn der Corona-Krise betrug der Risikoaufschlag im Durchschnitt 1.100 Bp., in der Spitze der Staatsanleihekrise 875 Bp. und zu Zeiten der Lehman-Insolvenz im Höhepunkt sogar 1.960 Bp. Der Durchschnittswert der vergangenen zwei Dekaden bemisst sich auf 502 Bp., derjenige für die zurückliegende Dekade auf 428 Bp. Gemessen am zuletzt genannten Durchschnittswert kann aktuell schon davon gesprochen werden, dass die Risikoaversion in den Reihen der Marktteilnehmer deutlich zugenommen hat, aber es herrscht, wie bereits gesagt, keine Panik.


Gegen eine allgemeine Panik spricht auch, dass die Investoren aktuell sehr selektiv zu Werke gehen. Im Bereich der Euro-investment-Grade-Anleihen beispielsweise ist nach Maßgabe der entsprechenden iBoxx-Indizes der durchschnittliche Risikoaufschlag im Bankensektor seit Beginn der vergangenen Woche um 10 Bp. auf insgesamt 106 Bp. gestiegen. Im Gegenzug haben sich die Risikoprämien von Unternehmensanleihen außerhalb des Finanzsektors im gleichen Zeitraum um 10 Bp. verringert, auf derzeit 60 Bp. Würde sich am Markt eine Panikstimmung verbreiten, so hätten sich mit Sicherheit auch die Risikoaufschläge im Unternehmenssektor entsprechend erhöht.

-- Günther Scheppler


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