Italien: 100 Tage Regierung Meloni

Die rechte Regierung in Italien ist geräuschloser gestartet, als von vielen zuvor befürchtet. Während wirtschaftspolitische Impulse Mangelware sind, fokussiert sich die Politik auf Privatanleger und gemeinsame EU-Schulden.

 

Seit dem 22. Oktober 2022, also nunmehr 100 Tagen, ist Giorgia Meloni die erste Ministerpräsidentin Italiens. Obwohl ihre Regierungskoalition bestehend aus den Parteien Fratelli d’Italia, Lega und Forza Italia seitens der EU zunächst mit Argwohn beäugt wurde, verliefen die ersten gut drei Monate geradezu unauffällig. Während sich Meloni bei ihren europäischen Nachbarn deutlich gemäßigter zeigte als zuweilen noch vor ihrem Amtsantritt, fehlte es bislang an einer richtungsweisenden (Wirtschafts-) Politik der Regierung – eine aus der Sicht der Finanzmärkte, die eine Abkehr von der Draghi-Politik befürchtet hatten, beruhigende Nachricht. Die zehnjährigen Risikoaufschläge italienischer Staatspapiere notieren gegenüber deutschen Bundesanleihen derzeit bei rund 180 Basispunkten und damit auf insgesamt eher unauffälligen Niveaus.

 

Damit das auch so bleibt, wünscht sich die Ministerpräsidentin eine regere Beteiligung der eigenen Staatsbürger an der Staatsverschuldung. Mit dieser Absicht hat das italienische Schatzamt 2012 den BTP-Italia ins Leben gerufen, eine Staatsanleihe, die an die italienische Inflationsrate gebunden ist und explizit für Privatinvestoren gedacht ist. Nicht nur haben diese in der Emissionsphase ein Vorkaufsrecht, sondern erhalten auch einen Bonus, sofern sie die Anleihe bis zur Fälligkeit halten. Aktuell gibt es zehn solcher Anleihen mit einem durchschnittlichen Volumen von knapp 10 Mrd. Euro, eine elfte soll in Kürze an den Markt kommen. Zum einen möchte das italienische Schatzamt damit den potenziellen Käuferkreis seiner Anleihen vergrößern, zum anderen erhofft es sich geringere Kursschwankungen der Anleihen in volatilen Marktphasen.

 

Eine besondere Rolle bei der Entwicklung der Risikoaufschläge italienischer Staatsanleihen haben in den vergangenen Monaten auch regelmäßig Meldungen zum EU-Wiederaufbaufonds Next Generation EU (NGEU) gespielt. Es zeichnet sich dabei zunehmend ab, dass Italien voraussichtlich nicht alle festgelegten Meilensteine erreichen wird, um die vollständige Auszahlung der Mittel zu erzielen. Dies hat nun auch Wirtschaftsminister Giorgetti angedeutet und fordert von der EU einen größeren Anpassungsspielraum mit Blick auf die Inhalte und den Zeitplan von NGEU. Zeitgleich hat er erneut für einen strategischen Fonds der EU als Fortsetzung von NGEU sowie eine weitere Aussetzung der Maastricht-Schuldenregeln geworben. Davon dürften sich die kerneuropäischen Staaten allerdings kaum überzeugen lassen. Schließlich gibt es bislang nicht einmal einen verbindlichen Tilgungsplan für die 750 Mrd. Euro an gemeinsamen Schulden aus NGEU, während zeitgleich die Bonität der Mitgliedsstaaten angesichts der steigenden Refinanzierungskosten vor eine Belastungsprobe gestellt wird.

-- Sophia Oertmann