Und täglich grüßt …das EU-Schuldenthema
Die Idee neuer EU-Schulden ist umstritten. Nicht nur wären diese für Deutschland deutlich teurer und mit zusätzlichen Risiken verbunden, auch greift das Argument fairer Wettbewerbsbedingungen zwischen den Mitgliedsländern zu kurz.
Zur Bewältigung der Folgen der Corona-Pandemie verständigten sich die Mitgliedsstaaten im Jahr 2020 darauf, dass die EU Hilfsprogramme auflegen und sie in einem begrenzten und zweckgebundenen Umfang über eigene Schulden refinanzieren durfte. Seitdem streiten Gegner und Befürworter einer gemeinschaftlichen Verschuldung in Europa, ob die EU sogar als generelles Refinanzierungsvehikel der Gemeinschaft genutzt werden soll. Das Argument der Befürworter: Gleiche und faire Wettbewerbsbedingungen für alle Mitgliedsstaaten und ihre Unternehmen, damit nicht nationale Schuldenstände und unterschiedliche Refinanzierungsbedingungen negativen Einfluss auf die wirtschaftlichen Entwicklungschancen nehmen. Zuletzt warb Wirtschafts- und Währungskommissar Gentiloni für die Idee, dass die negativen Folgen der Energiepreiskrise durch schuldenfinanzierte EU-Programme abgefedert werden sollten.
In der Tat wäre eine gemeinschaftliche Verschuldung über die EU für Italien und andere Peripheriestaaten die günstigere, für Deutschland und die Kernstaaten aber die deutlich teurere Option. Der Renditeunterschied zwischen EU-Bonds und Bundesanleihen mit zehnjähriger Laufzeit beträgt derzeit mehr als 60 Basispunkte. Insofern überrascht es kaum, dass sich die Begeisterung in Berlin bislang in engen Grenzen hält.
Die unterschiedlichen Marktzugangsvoraussetzungen, die beklagt werden, sind überdies kein Zufall, sondern vor allem das Ergebnis divergierender Fiskalpolitiken und davon abhängiger Bonitätsnoten der Staaten. Welche Steuern und Sozialabgaben ein Land erhebt und mit welcher Beharrlichkeit diese eingetrieben werden, nimmt aber nicht allein Einfluss auf die Staatsfinanzen, sondern auch auf das Vermögen und die Verschuldung der Unternehmen und privaten Haushalte. So überrascht es kaum, dass Italien als Staat zwar hoch verschuldet ist, aber vor allem die privaten Haushalte ungleich besser dastehen. Wenn also über faire wirtschaftliche Rahmenbedingungen in den EU-Staaten gesprochen wird, ist es wichtig, den Staat, die Unternehmen und die privaten Haushalte in den Blick zu nehmen.
Die Risiken einer höheren EU-Verschuldung gehen allerdings weiter. Da die EU-Schulden nicht bei den nationalen Schuldenkennziffern angerechnet werden, ist die Sorge nicht unbegründet, dass EU und Nationalstaaten in Summe sogar mehr Schulden aufnähmen. Angesichts bereits hoher Schuldenberge, steigender Refinanzierungskosten und der Haftungsverpflichtung der Nationalstaaten für die EU ein politisch wie auch wirtschaftlich durchaus riskanter Vorstoß.
-- Daniel Lenz