E(W)U-Staatsanleihen: Ratingentwicklung auf getrennten Wegen

Während Griechenland am Freitag durch Fitch heraufgestuft wurde, hat Standard & Poor’s das ungarische Rating um eine Stufe gesenkt.
 

Die Ratingveröffentlichungen durch Fitch und Standard & Poor’s (S&P) am Freitag nach Handelsschluss haben abermals exemplarisch aufgezeigt, dass sich die E(W)U-Staaten in puncto Ratingentwicklung auf getrennten Wegen befinden.

 

Zu Jahresbeginn hatten wir in unserem Ratingausblick darauf aufmerksam gemacht, dass Griechenland 2023 eine Rückkehr in den Investment-Grade-Bereich anstrebt. Mit der jüngsten Heraufstufung durch Fitch auf BB+ (Ausblick: stabil) ist das Land diesem Ziel ein Stück nähergekommen. Nicht nur bei Fitch, sondern auch bei S&P ist Griechenland nur noch eine Stufe vom Investment-Grade entfernt. Ausschlaggebend für den Aufwärtstrend bei der Bonitätsbeurteilung ist neben der Besserung der fiskalischen Lage auch die deutliche Risikoreduzierung im Bankensektor – der Anteil notleidender Kredite ist im September 2022 auf 9,7% und damit auf den niedrigsten Stand seit Ende 2009 gefallen. Diese Entwicklungen entfalten auch bei griechischen Staatsanleihen eine positive Wirkung. Zehnjährige griechische Renditen notieren trotz des geringeren Durchschnittsratings nahezu gleichauf mit den Renditen italienischer Staatsanleihen.

 

Gleichzeitig hat die Herabstufung Ungarns durch S&P auf BBB- (Ausblick: stabil) am Freitag unsere These bestärkt, dass die Staatsanleihen Mittel- und Osteuropas nach stark negativen Gesamterträgen im vergangenen Jahr auch 2023 erheblichen Spreadausweitungsrisiken gegenüberstehen. Da die Agentur Ungarn bereits seit August einen negativen Ausblick bescheinigt hatte, kam die Herabstufung wenig überraschend. S&P begründet die pessimistischere Bonitätseinschätzung zum einen mit den unsicheren wirtschaftlichen Aussichten infolge der Energiepreiskrise sowie der hohen Inflation. Zum anderen verweist die Agentur auf die anhaltenden Streitigkeiten mit der EU. Laut S&P sei sogar eine weitere Herabstufung in den Non-Investment-Grade-Bereich möglich, sofern entweder die EU ihre Zahlungen an Budapest signifikant kürzte oder Ungarn in eine Energieknappheit geriete.

 

Zwar ist seit Jahresbeginn ein Einengungstrend bei den Risikoaufschlägen der E(W)U-Staatsanleihen zu beobachten, der durch marktseitige Hoffnungen auf einen Rückgang der Inflationsraten und eine weniger restriktive Geldpolitik der Europäischen Zentralbank getragen wird. Perspektivisch dürfte angesichts der hohen Refinanzierungskosten allerdings das Thema Schuldentragfähigkeit wieder an Bedeutung für die Spreadentwicklung gewinnen. Spätestens dann wird der Markt zwischen Staaten mit politischem Sparwillen, wie Griechenland, und jenen mit fehlenden fiskalischen Ambitionen, wie Ungarn, vermehrt unterscheiden.

 

-- Sophia Oertmann


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