Deutscher Immobilienmarkt: Die Hauspreise sinken am Markt, aber (noch) nicht in den Erwartungen
Die Preise für Wohnimmobilien haben ihren Zenit Mitte 2022 erreicht. Der steile Zinsanstieg beendete den Immobilienboom und schickt den Markt auf Talfahrt. Nun geht es mit den Hauspreisen, der Kreditvergabe und dem Neubau bergab. Nicht jedoch in den Erwartungen, die noch von weiter steigenden Preisen ausgehen.
Der Immobilienmarkt hat gedreht: Nach dem jahrelangen Boom sind die Preise, das Kreditneugeschäft und die Bautätigkeit nun durchweg rückläufig. Der Hauptgrund sind die seit Anfang 2022 auf 4% gestiegenen und damit gut vervierfachten Bauzinsen. Durch die nun viel höheren Kreditraten ist ein Hauskauf oft kaum noch möglich. Erschwert wird die Immobilienfinanzierung aber auch vom inflationsbedingten Kaufkraftverlust. Selbst mit reduzierter Tilgung ist der maximal finanzierbare Kreditbetrag mindestens ein Drittel niedriger als noch vor einem Jahr. Die Kaufinteressenten müssen den Kauf deshalb oft vertagen oder auf günstigere Häuser und Wohnungen ausweichen. Als Folge brach das Neugeschäft mit Baudarlehen ein. Im November 2022 wurden mit 13,5 Mrd. Euro nur etwa 60% des Vorjahreswerts erreicht. Die geschwächte Nachfrage hat die Hauspreise gegenüber dem Höchststand im Juni 2022 bis Dezember bereits sichtbar um 5,5% sinken lassen, gemessen am Europace-Hauspreisindex. Trotzdem sind die Hauspreise gegenüber 2010 immer noch mehr als doppelt so hoch.
Der Immobilienmarkt wird aber auch gebremst, weil die Preisvorstellungen auf der Käufer- und Verkäuferseite auseinanderklaffen. Viele Eigentümer sind noch nicht zu nennenswerten Preiszugeständnissen bereit, obwohl die Kaufinteressenten die hohen Preise nicht mehr finanzieren können. Das überrascht zunächst, ist mit Blick auf die Markterwartungen aber konsequent. Nach den Ergebnissen der EZB-Verbraucherbefragung im November 2022 erwartet gut die Hälfte der deutschen Haushalte, dass die Hauspreise in 12 Monaten höher ausfallen. Und nur jeder neunte Haushalt rechnet mit fallenden Preisen. Offenbar haben sich die Haushalte an den Preisanstieg so sehr gewöhnt, dass die komplett geänderten Marktbedingungen nur langsam in die Erwartungen „einsickern“. Es könnte also noch dauern, bis sich die Preisvorstellungen von Käufern und Verkäufern annähern – eine wesentliche Voraussetzung für eine anziehende Marktaktivität.
Dabei dürfte das Zögern mit Blick auf den Verkaufserlös eher schaden, denn die Preise für Wohnimmobilien werden im laufenden Jahr voraussichtlich weiter nachgeben. Zum Jahresende könnte es trotz der womöglich noch etwas steigenden Zinsen auf ein moderates jahresdurchschnittliches Minus von 4 bis 6 Prozent hinauslaufen. Die Marktbelebung könnte in der zweiten Jahreshälfte allmählich einsetzen. Gegen stärker sinkende Immobilienpreise sprechen der hohe Wohnungsbedarf – verstärkt vom 2022 kräftigen Einwohnerwachstum von über 1 Mio. Menschen – und das knappe Angebot, das noch sinkt, weil der Neubau von hohen Bau- und Finanzierungskosten ausgebremst wird. Neubürger und verhinderte Käufer lassen die Anspannung auf dem Mietmarkt und damit die Mieten noch steigen. Daher könnte der Immobilienkauf doch die bessere Wahl bleiben. Etwas günstigere Immobilien und steigende Einkommen können die Entscheidung erleichtern.
-- Thorsten Lange