Kryptomarkt: Sturm im Wasserglas oder Lehman 2.0?
Die Negativschlagzeilen haben Krypto-Investoren stark verunsichert. Transparenz und Regulierung könnten helfen, verlorenes Vertrauen zurückzuerobern.
Die Negativschlagzeilen wollen nicht abreißen. Nach der Insolvenz von FTX, einer der weltweit bedeutendsten Kryptobörsen, wird über drohende Ansteckungseffekte spekuliert. Unter anderem halten sich Meldungen, wonach der namhafte Kryptobroker Genesis dringend Liquiditätshilfen benötigt. Betroffen sein könnten zudem die Kryptobörse Gemini und der global größte Kryptofonds Grayscale. Zwar beteuern Börsen, Fonds und Broker allesamt, dass die Investitionen der Kunden „sicher sind“. Nach den Erfahrungen dieses Jahres mit dem Niedergang des Stablecoins TerraUSD sowie den Insolvenzen der sogenannten Kryptobank Celsius und von FTX ist es allerdings wenig überraschend, dass Anleger an derartigen Äußerungen zumindest Zweifel haben und die Kurse am Kryptowährungsmarkt weiter angeschlagen bleiben.
Um verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen, setzen etablierte Marktakteure auf mehr Transparenz. Zahlreiche Börsen, darunter der Branchenriese Binance, publizierten sogenannte Proof-of-Reserves, in denen die gehaltenen Vermögenswerte offengelegt werden. Ein Schritt in die richtige Richtung ist dies allemal – insbesondere vor dem Hintergrund der Erkenntnisse, die sich aus der FTX-Insolvenz ergeben haben. Der eingesetzte FTX-Verwalter, John Ray, fällte ein vernichtendes Urteil über die Verhältnisse innerhalb des Unternehmens. Noch nie in seiner Laufbahn habe er ein solches Komplettversagen von Unternehmenskontrollen und einen derartigen Mangel an vertrauenswürdigen Finanzinformationen gesehen.
Selbst etablierte Marktteilnehmer sehen – im Gegensatz zu einigen Zentralbankvertretern – angesichts dieser Entwicklungen die Notwendigkeit, einen regulatorischen Rahmen und aufsichtsrechtliche Vorgaben für die Kryptobranche einzurichten. Mit Berichtspflichten und der Sicherstellung angemessener interner Kontrollmechanismen sollen sich aufbauende Risiken früh erkannt sowie Insolvenzen größerer Marktakteure möglichst vermieden werden. Durch den hieraus resultierenden Schutz der Anlagen von Bürgerinnen und Bürgern wird das Vertrauen in der breiten Öffentlichkeit gestärkt. Für das Kryptosegment ist dieser Regulierungsrahmen zumindest in der Europäischen Union gerade im Aufbau.
Zwar bleiben die globalen Rahmenbedingungen für Kryptowährungen angesichts der weiterhin restriktiv agierenden Zentralbanken schwierig. Zumindest etwas Optimismus können die Befürworter von Bitcoin & Co. auf Basis der jüngsten Entwicklung an den weltweiten Aktienmärkten schöpfen, deutet diese doch auf eine moderate Aufhellung der marktseitigen Vorgaben hin. Voraussetzung für höhere Kurse bei den Kryptowährungen dürfte dabei sein, dass sich die derzeit aufgrund potenzieller Ansteckungseffekte vorherrschende Verunsicherung legt. Bis es so weit ist, können ohne Weiteres noch einige Wochen oder gar Monate vergehen. Und selbst dann gibt es für die dauerhafte Werthaltigkeit der Kryptowährungen keine Garantie.
-- Sören Hettler