Italien vor der Wahl: Rechtsruck im Schlafwagenmodus

In Italien hat das rechte politische Lager unter Führung von Fratelli d’Italia gute Chancen, den Sieg bei den Parlamentswahlen am 25. September zu erringen. Trotz dieser Richtungswahl hält sich die Aufregung an den Märkten bislang auffallend in Grenzen.

 

Italien steht vor einer Richtungswahl. Die Chancen von Rechtspopulisten und Nationalisten auf eine absolute oder gar verfassungsändernde Mehrheit waren seit Gründung der Republik noch nie so groß. Angesichts der Tragweite, die sogar die Wahl 2018, als sich die rechtspopulistische Lega die Macht noch mit der Fünf-Sterne-Bewegung teilen musste, in den Schatten stellt, ist das mediale Echo bislang vergleichsweise klein. Vor einer Woche begann bereits die heiße Phase des Wahlkampfes und die in den Umfragen zurückliegende PD wird nicht müde, vor den in Führung liegenden Fratelli d’Italia (FdI) und ihrer Spitzenkandidatin, Giorgia Meloni, zu warnen. Das große Aufregerthema sind die Wahlen bislang aber weder in Italien noch an den Märkten.

 

Der Hauptgrund liegt darin, dass Meloni nichts unversucht lässt, möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten. Weder sie noch ihre Partei spielen bislang auf der antieuropäischen Klaviatur. Im Gegenteil. Die FdI-Chefin weist jede Nähe zum Neofaschismus zurück und stellt in Aussicht, sich an die EU-Fiskalregeln halten zu wollen. Auch das FdI-Wahlprogramm lässt mit Ausnahme der Integrations- und Gesellschaftspolitik wenig auffallend radikale Positionen erkennen. Es scheint, Meloni hat aus den politischen Fehlern von Lega-Chef Salvini oder Le Pen in Frankreich gelernt und peilt einen Wahlsieg im Schlafwagenmodus an.

 

Unklar ist aber, ob die Disziplin im Lager der rechten Parteien zumindest bis zum Wahlabend hält oder doch noch zweifelhafte Wortbeiträge zunehmen werden, die sowohl die Wähler als auch die Anleger in Sorge versetzen. Weitaus entscheidender dürfte aber sein: Was folgt nach der Wahl? Selbst für den Fall, dass sich Frau Meloni als realitätsnahe Machtpolitikerin präsentieren sollte, die zumindest äußerlich vorgibt, mit neofaschistischen Positionen gebrochen zu haben, ist kaum zu erwarten, dass die gleiche Haltung auch für das Gros der FdI-Abgeordneten oder die Lega gilt. Die politische DNA beider Parteien spricht stark für eine Welle neuer Konflikte mit der EU und ihren Mitgliedsländern – nicht nur in der Migrations-, sondern auch in der Finanzpolitik. Es ist durchaus möglich, dass Italien in Brüssel zukünftig eine oppositionelle Haltung wie derzeit Ungarn einnehmen wird. Im Unterschied zu Orban hat Italiens Wort und Stimme aber ein ungleich höheres Gewicht. Eine Isolationsstrategie der anderen EU-Staaten würde daher nicht verfangen. Spätestens dann dürften auch die Anleger wieder deutlich besorgter sein. Im ungünstigsten Fall erleben wir bei italienischen Staatsanleihen derzeit die sprichwörtliche Ruhe vor dem Sturm.

 

-- Daniel Lenz

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        


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