Nachhaltigkeitspräferenz und Taxonomie: Zwei Seiten einer Medaille?
Die neu eingeführte Nachhaltigkeitspräferenzabfrage nimmt (auch) auf die EU-Taxonomie Bezug – die beiden Themen können aber grundsätzlich voneinander abgegrenzt werden.
Wer auf der Suche nach komplexen Begrifflichkeiten ist, darf sich zumeist reiche Ausbeute bei Aspekten der EU-Regulatorik erhoffen. So ist es auch beim Thema Nachhaltigkeit. Die EU-Taxonomie wird dabei oft mit der seit Anfang August 2022 erforderlichen Abfrage von Nachhaltigkeitspräferenzen in begriffliche Verbindung gebracht. Eine Verbindung besteht generell – die beiden Themen sind aber nicht als zwei Seiten einer Medaille zu sehen.
Sowohl die EU-Taxonomie als auch die Nachhaltigkeitspräferenzabfrage entstammen als zwei von zehn Maßnahmen dem EU-Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums. Dieser Aktionsplan zielt unter anderem auf die Neuausrichtung der Kapitalflüsse hin zu einer nachhaltigeren Wirtschaft. Damit Klarheit darüber existiert, was denn eigentlich eine Investition in eine nachhaltige Wirtschaftsaktivität ausmacht, sind derartige Aktivitäten zu definieren. Hier kommt die Taxonomie ins Spiel.
Die EU-Taxonomie ist ein Klassifikationssystem für ökologisch nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten auf Basis wissenschaftlicher Kriterien. Es geht darum, Kapitalströme in nachhaltig wirtschaftliche Projekte zu lenken und „Greenwashing“ durch klare Begriffsbestimmungen zu verhindern. Die Taxonomie-Verordnung definiert als wichtigstes Fundament der Einstufung sechs Umweltziele, zu denen eine Wirtschaftsaktivität einen wesentlichen Beitrag liefern muss, um als nachhaltig zu gelten. Zu diesen Zielen zählen Klimaschutz, Anpassung an den Klimawandel oder der Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft.
Die Nachhaltigkeitspräferenzabfrage verpflichtet Anlageberater, die Nachhaltigkeitspräferenzen ihrer Kunden zu ermitteln und bei der Produktauswahl zu berücksichtigen. In dieser Berücksichtigung besteht die Verbindung zwischen Taxonomie und Präferenzabfrage: Tatsächlich kann der Kunde seine Anlagestrategie generell über drei Pfade nachhaltig ausrichten und einer davon ist es, (Anlage-)Produkte mit einem Mindestanteil an ökologisch nachhaltigen Investitionen gemäß der EU-Taxonomie zu erwerben. Die beiden anderen Wege sind die Ausrichtung an der EU-Offenlegungsverordnung (eine weitere Maßnahme aus dem Aktionsplan) und eine Berücksichtigung wichtiger negativer Nachhaltigkeitsauswirkungen (sogenannte PAIs) – zwei weitere Beispiele für das Talent der EU, komplexe Begrifflichkeiten zu kreieren.
-- Torsten Hähn