Deutscher Wohnungsmarkt trotzt im zweiten Quartal kräftigem Zinsgegenwind
Die Hauspreise sind im zweiten Quartal 2022 erneut rasant gestiegen – trotz kräftig gestiegener Zinsen. Bremsspuren sind nur bei genauem Hinsehen sichtbar. Erst in der zweiten Jahreshälfte dürfte die Abkühlung des Häusermarktes stärker zu Tage treten.
Noch glänzt das „Betongold“: Die Preise für Wohnimmobilien sind im zweiten Quartal 2022 erneut kräftig gestiegen, selbstgenutztes Wohneigentum hat sich binnen eines Jahres um 11,6% verteuert. Gegenüber dem ersten Quartal hat das Preistempo gut einen Prozentpunkt eingebüßt, doch angesichts der innerhalb von zehn Jahren verdoppelten Kaufpreise und der gestiegenen Bauzinsen hat sich der Wohnungsmarkt robust gezeigt. Schließlich sind die Bauzinsen bei zehnjähriger Zinsbindung von rund 1% auf zwischenzeitlich mehr als 3% gestiegen. Zusammen mit den Belastungen der Haushalte durch hohe Lebensmittel- und Energiepreise wäre ein sichtbarer Preisdämpfer naheliegend.
Bei genauerem Hinsehen sind aber Bremsspuren erkennbar. Seit dem Pandemiebeginn kletterten die Kaufpreise je Quartal im Durchschnitt um 2,7%. Im zweiten Quartal 2022 konnten nur Eigenheime dieses Tempo halten, während das Preisplus für Eigentumswohnungen auf immer noch beachtliche 1,5% sank. Wohnungen konzentrieren sich auf Städte, sind damit vergleichsweise teuer und somit zinssensitiver. Einfamilienhäuser sind dagegen außerhalb der Ballungsräume erschwinglicher. Zudem bietet der Mietmarkt in den Städten Alternativen. Für eine Ausweichreaktion in Richtung Miete spricht der kräftige Anstieg der Neuvertragsmieten von 2% im zweiten Quartal, dem stärksten Plus seit 2019. Zum bislang kräftigen Preiszuwachs dürfte auch der Vorlauf für einen Immobilienkauf beigetragen haben, sodass viele Kaufvorhaben trotz höherer Zinsen – eventuell mit Abstrichen – noch realisiert wurden. Zudem sind eigenkapitalstarke Käufer weniger vom Zinsanstieg betroffen. Hinzu kommt das knappe Angebot am Wohnungsmarkt.
Der ausgeprägte Hauspreisanstieg im ersten Halbjahr 2022 steht aber nicht für einen unbeirrten Aufwärtstrend. Das durch die höheren Zinsen verkleinerte Käuferpotenzial und die entsprechend reduzierte Nachfrage dürfte in der zweiten Jahreshälfte sichtbarer werden. Hinzu kommen immens steigende Heizkosten und die möglichen Folgen einer Wirtschaftskrise. Zugleich geht aber auch das Neubauangebot zurück. Viele Bauprojekte liegen auf Eis, während die im Bau befindlichen Häuser und Wohnungen im Regelfall schon verkauft sind. Je nachdem wie stark der Gegenwind ausfällt, könnten die Wohnimmobilienpreise in der Zukunft auch sinken.
-- Thorsten Lange