Öl steigt vorerst weiter

Rohöl steigt weiter, weil das EU-Embargo für Tanker-Öl aus Russland verhängt wurde und die sommerliche Produktionserhöhung der OPEC+  kein Allheilmittel gegen hohe Ölpreise darstellt. Auch die Nachfrageperspektiven in China hellen sich auf, allerdings trübt sich der globale Konjunkturausblick weiter ein, sodass die globale Nachfragedynamik im weiteren Verlauf bei Öl nachlässt und die Preise wieder nachgeben.

 

Der Rohölpreis klettert über die Marke von 120 USD und setzt seine Aufwärtsbewegung weiter fort. Zunächst hat die EU ein Öl-Embargo für Tanker-Öl („Seaborne“) aus Russland verhängt, das bis zum Jahresende umgesetzt werden soll. Wegen des hohen Weltmarktpreises existieren noch Ausweichmöglichkeiten (gerade auf den Routen nach China und Indien) für Moskau. Jedoch wird auch über einen weltweiten „Versicherungs-Ausschluss“ für Tanker, die russisches Öl geladen haben, laut nachgedacht – ein entsprechender Vorschlag der EU wird mit den Reedereien in Griechenland und Zypern bereits diskutiert. Dies könnte die Wirksamkeit des Embargos deutlich erhöhen, weil sich wohl kaum einer findet, der die Ladungen ohne Versicherung verschifft. Da das Embargo nicht ad-hoc durchgeführt wird, lässt auch der Preiseinfluss mit Blick auf das Jahresende nach. Zwischenzeitlich wurde am Ölmarkt darüber diskutiert, ob die OPEC zumindest temporär Russland aus dem erweiterten Kartell ausschließt. Dies ist nicht geschehen und man hat stattdessen die Notwendigkeit der Zusammenarbeit nochmals unterstrichen. Dennoch beabsichtigt die OPEC+ im Juli und August die Ölproduktion stärker um 648.000 Barrel (+50%) zu erhöhen, ob dies vollumfänglich gelingt, ist jedenfalls fraglich, weil die bisherigen Produktionsziele auch schon verfehlt wurden. Die sommerliche Produktionserhöhung ist also kein Allheilmittel gegen hohe Ölpreise. Auch bei den Verhandlungen im Atomkonflikt mit dem Iran steht unmittelbar noch kein Durchbruch vor der Tür.

 

Aber nicht nur das europäische Embargo für Tanker-Öl aus Russland wurde verhängt, sondern auch die Corona-Lage in China beginnt sich wegen zunehmenden Lockerungen wieder aufzuhellen. Wenngleich es immer wieder zu Rückschlägen kommen kann (kurzer Wochend-Lockdown in Schanghai), steht die Erholungsampel der Nachfrage im Reich der Mitte auf grün. In den USA setzt der Dynamikverlust oder Rückgang der Nachfrage trotz rekordhoher Benzinpreise noch nicht so ein wie bisher von uns veranschlagt, sodass wir die bisherige erwartete Preisspitze etwas nach hinten schieben und im Ausmaß erhöhen. Offensichtlich sind die US-Spritpreise noch nicht hoch genug, um die Mobilität und damit die Nachfrage während der Urlaubssaison in den USA zu reduzieren.

 

Neue Prognose: Auf globaler Ebene sind die Lagerbestände sehr tief. Eine Normalisierung ist erst dann zu erwarten, wenn a) die Nachfragedynamik wegen einer Eintrübung der Weltwirtschaft nachlässt und b) von den Nicht-OPEC- und einzelnen OPEC-Ländern, wie Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten mehr produziert wird. Beides wird sich unseres Erachtens auch einstellen, aber nicht so schnell wie wir das bisher antizipiert haben und wohl erst bei Preisen von ca.130 USD. Auch weil die Kampfhandlungen in der Ukraine wohl länger anhalten. Damit ist unsere neue Projektion keine fundamentale Kehrtwende, sondern lediglich eine Ad-justierung. Wir heben unsere 3M-, 6M und 12M-Prognose auf 130, 110 respektive 95 USD an.

 

-- Gabor Vogel