China: Nur zaghafte Erholung im Mai
Die chinesischen Einkaufsmanagerindizes haben die Verluste aus dem Lockdown-Stimmungstief im April nur zum Teil wieder aufgeholt. Peking will die Konjunktur jetzt mit Stimuli anschieben. Null-Covid bleibt aber erst einmal ein Risiko.
Die chinesische Wirtschaft ist auch im Mai weiter geschrumpft, nur längst nicht mehr so stark wie im April – das ist das Signal, das von den Ergebnissen der aktuellen („offiziellen“) Einkaufsmanagerbefragungen ausgeht. Die Indikatoren können sich zwar von ihren Tiefständen des vom strengen Lockdown in Schanghai geprägten Vormonats erholen, bleiben jedoch weiterhin unter der 50-Punkte-Wachstumsschwelle. Im Industriebereich steigt der Umfragewert von 47,4 auf 49,6 Punkte, im Dienstleistungssektor von 41,9 auf 47,8 Zähler. Anders als vor zwei Jahren, als sich die chinesische Wirtschaft mit Kraft aus der Corona-Rezession lösen konnte, fällt der konjunkturelle Rebound damit aktuell wesentlich verhaltener aus. Überraschen dürfte das allerdings kaum, da die Lockdown-Maßnahmen derzeit nur vorsichtig gelockert werden. In Schanghai ist die Zahl der Neuinfektionen inzwischen zwar deutlich gesunken, aber immer noch erhöht; erst im Verlauf des Junis soll sich die Stadt wieder vollständig öffnen. Peking und das benachbarte Tianjin kämpfen dagegen weiterhin mit Infektionsausbrüchen.
Für das Wirtschaftswachstum im laufenden zweiten Quartal zeichnet sich damit ein deutliches Minus gegenüber dem Vorquartal ab. Diese trübe Perspektive haben wir unlängst zum Anlass genommen, unsere Wachstumsprognose für das Gesamtjahr 2022 weiter zu reduzieren von 4,4% auf 4,0% – also noch einmal ein gutes Stück tiefer als der offizielle Zielwert von 5,5%. Dass sich die chinesische Regierung mit der diesjährigen Wachstumsvorgabe zu weit aus dem Fenster gelehnt hat, lässt sich auch den jüngsten Äußerungen von Premierminister Li entnehmen, der dringlich vor einem weiteren Abgleiten der chinesischen Wirtschaft warnte und konjunkturstabilisierende Maßnahmen ankündigte. Die Angaben zu den geplanten Stimuli blieben allerdings größtenteils enttäuschend vage. Mit zusätzlichen Infrastrukturprojekten, die das Wirtschaftswachstum in der zweiten Jahreshälfte stärker anschieben dürften, ist aber zu rechnen.
Vor allem im Vorfeld der „Wiederwahl“ Xi Jinpings als KPC-Generalsekretär und damit Staatspräsident hat die chinesische Regierung ein großes Interesse daran, die Wirtschaft schnell wieder in ruhigeres Fahrwasser zu bringen. Allerdings ist das Risiko groß, dass – solange die Staatsführung kompromisslos an der Null-Covid-Politik festhält – neue Ausbrüche neue Lockdowns nach sich ziehen und die Konjunkturerholung erneut ausbremsen. Chinas politische Führung hat sich mit ihrer Corona-Politik in eine Sackgasse manövriert: Die wirtschaftlichen Schäden sind erheblich, die Abkehr von Null-Covid aber gilt als Gesichtsverlust. Es bleibt zu hoffen, dass Peking spätestens dann eine gesichtswahrende Exit-Strategie aus dem Corona-Dilemma findet, sobald Xi’s Position Ende des Jahres gefestigt ist.
-- Monika Boven