Warum Neon und die Ukraine so wichtig für die Halbleiterindustrie sind
Der Krieg in der Ukraine könnte sich auch direkt auf die globale Halbleiterindustrie auswirken. Schließlich ist das zweitgrößte Land Europas der wichtigste Hersteller des Edelgases Neon.
Landläufig aus dem Bereich der Leuchtreklame bekannt, spielt Neon auch in der Halbleiterfertigung eine bedeutende Rolle. In Gaslasern (Excimer-Laser) zur Belichtung und Herstellung von hochintegrierten Halbleiterstrukturen fungiert Neon als Trägergas. Da es mit einem Reinheitsgrad von 99,999% benötigt wird, ist der Herstellungsprozess sehr energieintensiv und teuer.
Gewonnen wird das Edelgas, das sich in sehr geringer Konzentration in der Luft findet, mittels Luftzerlegung und -verflüssigung. Meist produzieren die auf dem Linde-Verfahren basierenden Luftzerlegungsanlagen Stickstoff und Sauerstoff für chemische und metallurgische Unternehmen – beispielsweise Sauerstoff für Stahlwerke. Dabei entsteht als Nebenprodukt Neon, das durch die Weiterverarbeitung bestimmter Fraktionen veredelt wird.
Größter Produzent des Gases ist die Ukraine, wobei auf die Unternehmen Cryoin (Odessa) und Ingas (Mariupol) nach Berechnungen von Reuters 45 bis 54 Prozent des weltweiten Neons in Halbleiterqualität entfallen. Kriegsbedingt haben allerdings beide Gasespezialisten den Betrieb vorübergehend eingestellt, sodass rund die Hälfte des weltweiten Kontingents an industrietauglichem Neon weggebrochen ist. Somit hat der Preis für Neon zuletzt stark zugelegt.
Vor dem Krieg produzierte allein Ingas laut Reuters 15.000 bis 20.000 Kubikmeter Neon pro Monat für Kunden in Taiwan, Korea, China, den Vereinigten Staaten und Deutschland, wovon etwa 75% an die Chipindustrie gingen. Das Marktforschungsinstitut Techcet schätzt, dass der weltweite Neon-Verbrauch für die Chipherstellung 2021 bei knapp 650.000 Kubikmetern lag.
Die Auswirkungen durch die Produktionsstopps in der Ukraine sind wohl nicht sofort spürbar, da die Halbleiterindustrie üblicherweise Lagerbestände an Neon vorhält. Taiwan verfügt beispielsweise über strategische Neon-Sicherheitsvorräte, was die Effekte einer Verknappung hinauszögern würde. Auch in Europa verweist man auf ausreichend hohe Neon-Bestände. Zur Entspannung der Lage könnten zunächst andere Neon-Standorte die Produktion steigern. Sollte die Produktion in der Ukraine jedoch langfristig gestört bleiben, müssten die bestehenden Anlagen außerhalb der Ukraine erweitert oder es müsste in neue Neon-Produktionsstätten investiert werden, die dann in zwei bis drei Jahren den Betrieb aufnehmen könnten.
-- Dirk Schlamp