Russland: Wachstum der Wirtschaft in Q1 ist „Schnee von gestern“
Im ersten Quartal lag die russische Wirtschaftsleistung noch um 3,5% über dem Vorjahresquartal. Im weiteren Jahresverlauf ist hingegen mit deutlichen Minus-Raten zu rechnen.
Durch den Überfall der Ukraine hat sich der Ausblick für die russische Wirtschaft tief eingetrübt. Von den westlichen Ländern wurden umfangreiche Sanktionen verhängt, die neben dem weitgehenden Ausschluss vom Zahlungsverkehr SWIFT auch zahlreiche Ein- und Ausfuhrverbote beim Handel mit Russland umfassen. In diesem Jahr dürfte deshalb das russische Bruttoinlandsprodukt (BIP) um rund 11% schrumpfen und auch 2023 wird sich der Rückgang wohl noch weiter fortsetzen. Die gesamtwirtschaftliche Leistung fällt dadurch bis auf das Niveau vom Jahr 2010 zurück. Da die zahlreichen Sanktionen auch weiterhin in Kraft bleiben dürften, wird die wirtschaftliche Erholung Russlands nur sehr schleppend verlaufen und sich über mehrere Jahre hinziehen.
Dass am Mittwochabend vom russischen Statistikamt für das erste Quartal eine positive Zahl gemeldet wurde, ist keine allzu große Überraschung. Zum einen fiel ja nur ein Drittel des Quartals in die Zeit nach dem Einmarsch in der Ukraine. Zum anderen wurden die umfangreichen Sanktionspakete der westlichen Länder erst nach und nach verabschiedet.
Für das laufende Quartal ist mit einem deutlichen Rückgang bei der Wirtschaftsleistung zu rechnen. Wesentliche Bremsfaktoren sind der private Konsum und die Investitionen. Für die privaten Haushalte ist der Ausblick wegen der rasant angezogenen Inflation recht düster. Im April kletterte die Inflationsrate auf 17,8%, dies bedeutet ein kräftiges Minus bei den Realeinkommen. Hinzu kommt die sehr unsichere Lage am Arbeitsmarkt, auch wenn die offiziellen Zahlen (noch) ein entspanntes Bild abgeben. Viele westliche Firmen ziehen sich aus Russland zurück. Aber auch inländische Arbeitgeber mussten teilweise bereits die Produktion drosseln, weil wegen den verhängten Sanktionen wichtige Zubehörteile aus dem Ausland fehlen.
In diesem Umfeld streichen zahlreiche inländische Firmen zudem ursprünglich geplante Investitionen. Zum Teil auch gezwungener Maßen, weil dafür benötigte Maschinen oder andere Bauteile gar nicht geliefert werden dürfen. Da sich außerdem viele westliche Unternehmen vollständig aus Russland zurückziehen, fallen diese ebenfalls als Investoren aus. Allein in diesem Jahr ist deshalb bei den privaten Investitionen mit einem Einbruch um rund ein Drittel zu rechnen.
-- Dr. Christine Schäfer