Welthandel: Materialengpassproblematik verschärft sich im Sommer

Die strikte Null-Covid-Politik Pekings hat zu markanten Schiffsstaus vor den chinesischen Küsten geführt. Die fehlenden Seefrachtkapazitäten dürften ab Juni auch hierzulande die bestehenden Materialengpässe weiter verschärfen. Mit einer zeitnahen Entspannung ist nicht zu rechnen.

 

 

Die harten Beschränkungen in wichtigen chinesischen Hafenregionen haben neben dem Überfall Russlands auf die Ukraine den Welthandel bereits im März empfindlich getroffen. Das zeigen unter anderem ernüchternde Exportdaten aus Deutschland. Wobei vor allem die Ausfuhren nach China markant nachgegeben haben.

Große Sorge bereitet seit Anfang April vor allem die strikte Abriegelung der chinesischen Megametropole Schanghai.
Dort, vor dem größten Hafen der Welt, kam es temporär im April zu einem rasanten Anstieg ankernder Containerschiffe, die auf Abfertigung warteten. Inzwischen hat sich die zugespitzte Lage, aufgrund behördlicher Maßnahmen und Umleitungen beispielsweise in die südlich gelegene Hafenregion Zhoushan-Ningbo, zwar wieder etwas beruhigt. Die Zahl der abfahrenden Containerschiffe aus Schanghai bleibt jedoch deutlich hinter den Möglichkeiten in Normalzeiten zurück.

Die markanten Schiffsstaus vor wichtigen internationalen Häfen beeinträchtigen aktuell auch die nordeuropäischen Häfen wie beispielsweise in Hamburg. Dieser Zustand könnte sich durch die aktuellen Staus vor Chinas Häfen nun weiter verschärfen. Geht man von einer Seefrachtdauer zwischen Schanghai und Hamburg von 30 bis 40 Tagen aus, dann sollte der Mangel an verfügbaren Frachtkapazitäten in etwa ab Juni auch die deutschen Häfen treffen. In der Konsequenz dürfte es zu einer Verschärfung der bestehenden Materialengpässe kommen, wodurch vermehrte Störungen im Produktionsablauf des verarbeitenden Gewerbes zu befürchten sind.

Ein Ende dieser Schiffsstau- und Lieferengpassproblematik hängt unter anderem entscheidend von der Lockerung der strikten Null-Covid-Strategie der chinesischen Regierung ab. Zuletzt signalisierte aber der chinesische Staatspräsident Xi, dass eine politische Kehrtwende nicht vorgesehen ist. Mit einer zügigen Auflösung der Schiffsstau-Problematik ist damit kaum zu rechnen.

Würde die chinesische Regierung den Lockdown in Schanghai sowie die strengen Beschränkungen zeitnah lockern und die Schiffsumschläge merklich beschleunigen, dann würde sich die markante Containerlawine zunächst auf andere internationale Häfen verlagern. Bis sich der internationale Seefrachtverkehr soweit austariert hat, dass sich die bestehende Flaschenhalsproblematik an den Häfen auflöst, dürften mehrere Monate vergehen. Eine zügige Entspannung der Welthandelsaktivität ist damit noch nicht erkennbar. Vor diesem Hintergrund rechnen wir mit einer Normalisierung der Lieferkettenproblematik nicht vor dem Jahr 2023.

 
-- Matthias Schupeta


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