Endspurt am deutschen Wohnungsmarkt?

Der kräftige Preisanstieg am deutschen Wohnungsmarkt setzte sich im ersten Quartal 2022 fort. Viele Käufer wurden aktiv, um weiter steigenden Zinsen zuvorzukommen.

 


Der Anfang 2022 begonnene Zinsanstieg hat viele Kaufinteressenten am Wohnungsmarkt aufgeschreckt
und aktiv werden lassen, bevor der Traum vom Eigenheim unerschwinglich wird. Das belegt der Neugeschäftsrekord mit Immobiliendarlehen im ersten Quartal 2022. Die Banken vergaben rund 84 Mrd. Euro, weit mehr als der schon hohe Quartalsdurchschnitt der drei Vorjahre von etwa 68 Mrd. Euro. Der enorme Mittelzufluss trieb die Preise für Wohnimmobilien weiter in die Höhe. Der vdp-Preisindex weist wie zuvor in der zweiten Hälfte 2021 für selbstgenutzte Häuser und Wohnungen ein jährliches Plus von 12,5% aus. Bei vermieteten Mehrfamilienhäusern ließ das Preistempo etwas auf 9% nach. Hier belasten die gegenüber den Mieten viel schneller steigenden Preise sowie höhere Finanzierungskosten die Wirtschaftlichkeit.

 

Diese hohe Preisdynamik wird sich als Folge deutlich höherer Finanzierungskosten nicht fortsetzen. Seit Januar hat sich der Darlehenszins bei 20-jähriger Zinsbindung auf fast 3% mehr als verdoppelt. Damit ist das Zinsniveau noch moderat, doch in Kombination mit den hohen Immobilienpreisen steigen die Zinszahlungen deutlich. Das verdeutlicht der Kauf eines im bundesweiten Städtedurchschnitt mehr als eine halbe Mio. Euro teuren Reihenhauses. Durch den Zinsanstieg müssen für die Kreditrate monatlich rund 650 Euro mehr als bei einem Abschluss im vergangenen Dezember gezahlt werden. Höhere Energie- und Lebensmittelpreise erschweren den Immobilienkauf zusätzlich.


Das Zinstief und vergleichsweise attraktive Renditen haben den Immobilienmarkt auf ein hohes Niveau gehoben. Nicht nur die Bundesbank warnt für Übertreibungen. Eine Marktberuhigung durch gestiegene Finanzierungskosten und weniger Abstand zu den ebenfalls gestiegenen Anleiherenditen ist zu begrüßen. Das Korrekturrisiko mildern die niedrige Arbeitslosigkeit, die überschaubare Verschuldung der privaten Haushalte und lange Zinsbindungen. Unter dem Strich werden die Preise für Wohnimmobilien voraussichtlich langsamer steigen. Sinken werden sie aber wohl nicht, solange eine schwere Rezession oder ein weitergehender Zinsanstieg ausbleiben. Stabilisiert wird der Markt, weil die gebremste Nachfrage auf ein knappes und ebenfalls schrumpfendes Immobilienangebot trifft. Vor allem fehlende Baustoffe bremsen und verteuern aktuell den Neubau.


-- Thorsten Lange


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