Bitcoin im Realitätscheck

Der Bitcoin steht unter Abgabedruck, vor allem aufgrund einer global restriktiveren Geldpolitik. Für den Abgesang ist es dennoch zu früh.

 

 

 

Bitcoin ist gestern erstmals seit vergangenen Sommer zumindest vorübergehend wieder unter die 30.000-USD-Marke gefallen. Die Verluste in den letzten sechs Monaten summieren sich aktuell auf über 50%. Vor allem die Geldpolitik macht der Kryptowährung zu schaffen. War diese in den vergangenen Jahren extrem expansiv, werden die Zügel mittlerweile spürbar angezogen. Die Federal Reserve präsentiert sich entschlossen, mit Leitzinserhöhungen und einer schnellen Reduzierung ihrer Bilanz gegen den hohen Preisdruck in den USA vorzugehen. Und selbst im Euroraum nimmt ein erster Zinsschritt im Juli langsam aber sicher Form an. Für den Bitcoin ist dies in zweierlei Hinsicht von Bedeutung. Zum einen werden Anlagen in traditionellen Finanzmarktsegmenten mit steigenden Renditen wieder attraktiver. Zum anderen wird das Vertrauen in US-Dollar, Euro & Co. gestärkt, wenn die Währungshüter eine übermäßige Geldentwertung in Form hoher Inflationsraten nicht auf die leichte Schulter nehmen.

 

Zum Verhängnis wird der Kryptowährung in diesem Zusammenhang die für den Markt zunehmende Bedeutung institutioneller Investoren. Ideologische Beweggründe spielen für sie eine untergeordnete Rolle. Vielmehr ist Bitcoin ein (riskantes) Asset, das nach üblichem Muster zugekauft oder abgestoßen wird. Entsprechend groß ist die Bedeutung der vorherrschenden globalen Risikoaversion für den Kursverlauf. Ergebnis dieser Entwicklung ist eine hohe Korrelation mit der Aktienmarktentwicklung. Der Gleichlauf zwischen Bitcoin und Gold ist zuletzt hingegen in den negativen Bereich abgerutscht.

 

Bitcoin-Untergangspropheten sehen ihre Zeit einmal mehr gekommen, verlassen kann sich der Bitcoin jedoch weiterhin auf eine überzeugte Community, die in der Kryptowährung die Zukunft sieht und sich wohl kaum von einem Kursniveau um 30.000 USD abschrecken lassen sollte. Unternehmen, deren Geschäftsmodell auf Bitcoin basiert, darunter Börsen und Miner, werden zudem nicht bereit sein, die Basis ihres Erfolges aus den vergangenen Jahren ohne weiteres aufzugeben. Dass sich institutionelle Anleger komplett und dauerhaft aus dem Kryptowährungsmarkt zurückgezogen haben, darf außerdem bezweifelt werden. Sollten sich die Rahmenbedingungen wieder zugunsten des Bitcoin ändern, dürften sie kein Problem damit haben, die Kryptowährung wieder verstärkt in ihr Portfolio zu integrieren. Wie das funktioniert sollten sie in den vergangenen Monaten gelernt haben.

 

-- Sören Hettler


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