Baltikum: Zwischen Chancen und Risiken

Mit der Invasion Russlands in die Ukraine ergeben sich für die baltischen Staaten neben geopolitischen Risiken auch wirtschaftliche Herausforderungen.

Mit der Invasion Russlands in die Ukraine sind die geopolitischen Risiken für die baltischen Staaten Litauen, Lettland und Estland sprunghaft gestiegen. An den Finanzmärkten hat dies zu einer plötzlichen Ausweitung der Risikoaufschläge geführt. Trotz zwischenzeitlicher Normalisierung und der NATO-Mitgliedschaft der Staaten preist der Markt das kleine aber gestiegene Risiko einer Ausweitung des Krieges auf das Baltikum ein. Zeitgleich stellt sich die Frage, wie sich die wirtschaftlichen Implikationen des Krieges mittelfristig auf die Risikoprämien baltischer Eurobonds auswirken.

Ein Hauptrisikofaktor liegt in der Energieabhängigkeit: Russische Importe nach Litauen beliefen sich 2021 auf 12% der gesamten Importe. Mehr als die Hälfte davon entfielen auf Energielieferungen. Auch bei Lettland besteht ein großer Teil der 10% an Importen aus Russland aus Energieprodukten. Zudem sind die baltischen Staaten bislang an ein Stromnetz mit Belarus und Russland angeschlossen. Bis spätestens 2025 soll der Anschluss an das kontinentaleuropäische Stromnetz abgeschlossen sein.

Eine weitere Herausforderung stellen die hohen Inflationsraten dar. In Litauen erreichte die Konsumentenpreisinflation im März mit knapp 16% den Spitzenwert innerhalb der Euro-Staaten, Lettland lag mit fast 12% auf Rang fünf. Die hohe Teuerung könnte Investitionen und Konsum beeinträchtigen, sofern die Einkommen erwartungsgemäß nicht in ähnlichem Maße ansteigen. Die Zeichen für die BIP-Entwicklung im zweiten Quartal stehen damit nicht allzu positiv.

Dennoch gibt es auch positive Faktoren, die Anleger in litauischen und lettischen Eurobonds wohlwollend aufnehmen dürften. Zum einen der EU-Wiederaufbaufonds: Litauen stehen insgesamt 2,2 Mrd. Euro an Zuschüssen zu, bei Lettland sind es 1,8 Mrd. Euro. Bis 2026 können die beiden Staaten nun Reformen und Investitionen umsetzen, um die EU-Finanzmittel zu erhalten. Zum anderen dürfte die Entwicklung der litauischen und lettischen Eurobonds von den Anleihekäufen der EZB geprägt bleiben. Als vergleichsweise kleine Emittenten haben beide Länder überproportional von der ultraexpansiven Geldpolitik profitiert. Zwar werden die Anleiheneukäufe aktuell zurückgefahren, allerdings sind die Anleihebestände sowie die Reinvestitionen der EZB weiterhin hoch. Zudem hat die Notenbank ihre Bereitschaft erklärt, bei einer drohenden Fragmentierung am EWU-Staatsanleihemarkt erneut zu intervenieren.


-- Sophia Oertmann