Zinswende

Die sehr hohen Inflationsraten in den Vereinigten Staaten machen die US-Zinswende unvermeidlich. Die Rentenmärkte sind auf eine Zinserhöhung von 25 Basispunkte vorbereitet.  

 

Die Fed wird am Mittwoch den Zinskorridor um 25 Basispunkte anheben. Dies hat zumindest Fed-Chef Powell bei seinen letzten Reden recht deutlich in Aussicht gestellt. Auch die Fed-Funds-Futures lassen keine andere Interpretation zu und zeigen, dass eine sehr große Mehrheit der Marktteilnehmer mit einem Zinsschritt in entsprechender Höhe rechnet. Die vor dem Einmarsch Russlands in die Ukraine antizipierte Zinsanhebung um 50 Basispunkte liegt nicht mehr auf dem Tisch.


Die geldpolitische Wende der US-Notenbank nach der schwierigen Phase der Pandemie ist gut vorbereitet und dürfte daher nicht für Überraschungen sorgen. Überraschungspotenzial könnten lediglich die neuen Projektionen und das begleitende Statement liefern. Beim Kommuniqué dürfte interessant werden, wie die Fed die Preisauftriebsgefahren charakterisiert. Schon bei den letzten beiden Pressestatements hatte die Fed ihren Inflationssorgen vermehrt Ausdruck verliehen. Seitdem ist die Inflation weiter kräftig gestiegen, und der Krieg in der Ukraine dürfte die Inflation in den kommenden Wochen, eventuell Monaten, nochmals anheizen. Hier besteht daher die Gefahr, dass die Fed – ähnlich wie die EZB – mit einem aggressiveren (hawkishen) Statement überrascht.


Bei den Projektionen dürfte spannend werden, wie die einzelnen Fed-Mitglieder das weitere Zinserhöhungsprofil sehen. Bislang erwarteten die FOMC-Mitglieder im Median mit drei Zinsanhebungen in diesem Jahr einen sehr moderaten Zinserhöhungspfad. Die Fed-Prognosen stammen jedoch noch von Mitte Dezember. Seitdem hat sich die Inflation nicht nur beschleunigt, vielmehr fällt der Preisdruck mit steigenden Löhnen in der Wirtschaft sogar breit basiert aus. Es besteht damit die Gefahr, dass sich Zweitrundeneffekte nicht mehr vermeiden lassen und dass sich die hohen Inflationsraten dauerhaft verfestigen. Unseres Erachtens werden die Fed-Mitglieder daher eine schnellere Reduktion des geldpolitischen Expansionsgrades in Aussicht stellen. Dies bedeutet: Die Fed wird den gestiegenen Teuerungsgefahren schneller entgegentreten und mehr Leitzinsanhebungen sowohl in diesem Jahr als auch im kommenden Jahr in Aussicht stellen.


Die Entwicklungen an der Preisfront lassen unseres Erachtens ebenfalls eine Reihe von Zinserhöhungen gerechtfertigt erscheinen. Wir erwarten bis Ende des Jahres fünf Anhebungen des Zinskorridors. Schon werden aber in der Wirtschaft die ersten Stimmen laut, die bezweifeln, dass die Fed tatsächlich „eine weiche Landung“ der Wirtschaft hinbekommt – also die Bekämpfung der Inflation mit höheren Leitzinsen und/oder einer Verringerung der Zentralbankbilanz, ohne eine Rezession auszulösen. Diese Erwartung lässt sich auch marktseitig an dem sehr geringen 2/10-Spread ablesen, der lediglich bei rund 22 Basispunkten liegt.


-- Birgit Henseler


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