China senkt Wachstumsziel für 2022 nur geringfügig
Chinas Wirtschaft soll dieses Jahr um 5,5% wachsen. Das wäre schon ohne den Krieg in der Ukraine ein ambitioniertes Ziel. Die Regierung warnt vor einem außenwirtschaftlich schwierigen Jahr, an dessen Ende Xi Jinping seine dritte Amtszeit antreten will.
Im Schatten des russischen Angriffs auf die Ukraine hat in Peking das jährliche Ritual des Nationalen Volkskongresses begonnen. Kommentare zum Kriegsgeschehen in Europa sucht man hier vergeblich. Lediglich die Warnung vor der unsicheren globalen Konjunkturerholung und hohen Energiepreisen lässt durchaus größere Konjunktursorgen erahnen.
Vor diesem Hintergrund ist das ausgegebene Wachstumsziel von „rund 5,5%“ für dieses Jahr ziemlich ambitioniert. Letztlich entspricht die Absenkung gegenüber dem 6%-Ziel vom vergangenen Jahr nicht mehr als dem demografisch bedingten Rückgang des Potenzialwachstums. Der konjunkturellen Schwäche, die die chinesische Wirtschaft seit über einem halben Jahr durchläuft und die das Wirtschaftswachstum im Schlussquartal 2021 bis auf 4% abgebremst hat, trägt das Wachstumsziel hingegen keine Rechnung. Es wäre eine deutliche Wachstumsbeschleunigung auf wenigstens 6% bis zum Ende dieses Jahres notwendig, damit die chinesische Wirtschaft den Zielwert im Jahresschnitt erfüllt. Im gegenwärtigen Umfeld ist dies nur schwer vorstellbar – zumindest nicht ohne massive staatliche Konjunkturhilfen.
Erste Stimuli in Form von Steuersenkungen, Ausgabenprogrammen und einer Lockerung der Geldpolitik wurden bereits auf den Weg gebracht. Diese Maßnahmen dürften aber schwerlich reichen, um die Konjunktur, die vor allem unter harschen Regulierungen im Immobiliensektor und der kompromisslosen Null-Covid-Politik leidet, derart kräftig anzuschieben, zumal jetzt auch noch der Außenhandel stärker unter Druck geraten wird. Wir rechnen daher mit einem wesentlich schwächeren Wachstum in diesem Jahr als die chinesische Regierung.
Gegenüber Russland tut sich China aktuell schwer, eine angemessene Haltung zu finden. Die Sanktionen des Westens lehnt Peking ab, wird sie aber kaum nennenswert unterlaufen, um nicht ins Fadenkreuz amerikanischer Sekundärsanktionen zu geraten. Dafür ist das Land zu sehr abhängig von den Absatzmärkten in den USA und Europa. Letztlich steht für Staatspräsident Xi in diesem Jahr vor allem ein Punkt ganz oben auf der Agenda: Er möchte im Herbst seine dritte Amtszeit antreten – ein seit Mao einmaliger Vorgang. Dazu benötigt er vor allem eins: Stabilität – im politischen wie im wirtschaftlichen Sinne.
-- Monika Boven