Konjunktur Türkei: Kräftiges Plus in Q4, bleibt die Wirtschaft auf Wachstumskurs?

Die Stimmung bei den Verbrauchern ist eingebrochen. Eine extrem hohe Inflation lastet auf dem Ausblick. Der Russland-Ukraine-Konflikt gefährdet die Erholung beim Tourismus.

 

 

Auch im vierten Quartal des vergangenen Jahres konnte die türkische Wirtschaft ihren kräftigen Wachstumskurs beibehalten, das bestätigen die jüngst veröffentlichten Zahlen zum Bruttoinlandsprodukt (BIP). Für 2021 steht jetzt insgesamt eine Steigerung beim BIP um 11% zu Buche. Die Frage, ob die türkische Wirtschaft auch 2022 mit einem sichtbaren Zuwachs auf dem Erholungspfad voranschreitet, steht allerdings nicht erst seit dem Einmarsch der russischen Armee in der benachbarten Ukraine im Raum. Schon zuvor ging die Stimmung der Verbraucher wegen einer rasant steigenden Inflation auf Talfahrt. Letztlich dürfte das Plus bei der gesamtwirtschaftlichen Leistung 2022 sichtbar hinter dem Vorjahr zurückbleiben, zum Stillstand der Wirtschaft dürfte es andererseits aber wohl auch nicht kommen.


Der deutliche Kaufkraftverlust mit dem sich die privaten Haushalte konfrontiert sehen, lastet also schon seit einer Weile auf dem Ausblick für die Wirtschaft. Dies ist insofern ein Risikofaktor, da von 2010 bis 2019, also in den Jahren vor der Corona-Pandemie, immerhin 60% des jährlichen Wirtschaftswachstums durch den privaten Konsum erreicht wurden. In den letzten beiden Jahren war die Bedeutung sogar noch größer, sie lag bei 75%. Um die Bremseffekte bei der Kaufkraft abzumildern, hat die Politik inzwischen Gegenmaßnahmen ergriffen. So wurde kurzfristig der Mindestlohn 50% erhöht und zuletzt auch die Mehrwertsteuer auf zahlreiche Lebensmittel drastisch gesenkt.


Während die hohe Inflation schon seit einer Weile an der Wachstumsperspektive der türkischen Wirtschaft nagt, ist als neues Risiko die kriegerische Auseinandersetzung in der benachbarten Ukraine hinzugekommen. Denn dies gefährdet die Erholung des Auslandstourismus, der während der Corona-Pandemie tief eingebrochen war.


Letztlich dürfte die türkische Wirtschaft aber auch in diesem Jahr ihren Wachstumskurs beibehalten, wenn auch mit sichtbar gedrosseltem Tempo. Wichtige Impulse liefert der industrielle Sektor, bei dem die eingehenden Bestellungen zuletzt ein neues Rekordniveau erreichten. Trotz prall gefüllter Auftragsbücher macht die Stimmung in den Industriebetrieben dennoch keine Freudensprünge. Dies dürfte daran liegen, dass der Warenexport zwar erheblichen Schub durch die Schwäche der türkischen Lira erhält. Gleichzeitig leidet das verarbeitende Gewerbe aber unter erhöhtem Kostendruck, da sich der Import von Rohstoffen und Vorprodukten verteuert hat.

 
-- Dr. Christine Schäfer


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