Das tat weh
Investoren werden die Pressekonferenz von EZB-Präsidentin Lagarde am vergangenen Donnerstag noch lange in Erinnerung behalten. Sichtlich um jedes Wort ringend hat die EZB-Chefin während der Pressekonferenz das Wörterbuch der Falken benutzt. Achtete die Zentralbank in der Vergangenheit primär darauf, einer Segmentierung in den Anleihemärkten entgegenzuwirken und die Refinanzierungskosten niedrig zu halten, so steht in Zukunft der Kampf gegen die Inflation im Vordergrund. Die Marktreaktion kam prompt: Der fünfjährige Euro-Swapsatz eröffnete am Donnertag Morgen noch bei 28 Basispunkten und schloss am Freitag bei 50 Basispunkten. Dieser massive, erneute Zinsanstieg hat den Investoren ordentlich wehgetan. Seit Jahresbeginn hat der Swapsatz insgesamt 46 Basispunkte zugelegt. Dieser kräftige Zinsanstieg hat in allen Anleihesegmenten für deutliche Verluste im Bereich von zwei bis drei Prozent seit Beginn des aktuellen Jahres gesorgt.
Zum Zinsanstieg gesellt sich insbesondere in den Bereichen der Bank- und Unternehmensanleihen sowie im Staatsanleihesektor ein Anstieg der Risikoprämien hinzu, die ebenfalls einen, wenn auch geringeren Anteil an der Verlustgenerierung haben. Die Frage ist, ob sich die Spreadausweitungen fortsetzen? Die EZB-Präsidentin hat während der Pressekonferenz mehrfach betont, dass die Notenbank die Sequenzierung nicht aufheben wird. Das bedeutet, dass die Nettoneukäufe beendet werden müssen, bevor es zu einer Leitzinsanhebung kommen kann. Die Nachfrage in einigen Anleihesegmenten droht somit im weiteren Verlauf des Jahres signifikant weniger zu werden. Der Markt preist zum aktuellen Zeitpunkt zumindest eine Leitzinsanhebung in der zweiten Jahreshälfte ein. Wie bereits ausgeführt, müssten die Anleihekäufe zuvor enden.
Weitere Spreadausweitungen sind vor diesem Hintergrund also nicht auszuschließen. Das gilt insbesondere für Anleihen von Emittenten, die von den Kaufprogrammen der EZB besonders profitiert haben. Viel wird allerdings von den weiteren Signalen der Notenbank abhängen. Je nachdem ob die Falken-Signale noch mehr werden oder ob die Zentralbankvertreter verbal wieder etwas zurückrudern, sind Entwicklungen in beide Richtungen denkbar. Die Volatilität in den Anleihemärkten in den kommenden Wochen dürfte vor diesem Hintergrund zunehmen. Werden aus den Andeutungen der Zentralbank Wirklichkeit, dürften die Risikoaufschläge über das Jahr hinweg in einem moderaten, angemessenen Maß weiter steigen.
-- Günther Scheppler