Geldpolitische Reifegrade variieren

Das Geschehen an den Devisenmärkten wird auch dieser Tage weiterhin maßgeblich von der Frage geprägt, wie weit die Inflationsraten in den einzelnen Ländern noch steigen können und wie die hierauf angemessene geldpolitische Antwort lautet. Wenngleich dies ohnehin bereits ein schwieriges Unterfangen ist, so haben die zuletzt wieder aufgekommenen geopolitischen Risiken die Sache alles andere als einfacher gemacht. Was die marktseitig mit Spannung erwarteten geldpolitischen Antworten betrifft, heißt es mit Blick auf die beiden Schwergewichte Fed und EZB allerdings erst einmal abwarten. So ist doch diesbezüglich sowohl dies- als auch jenseits des Atlantiks erst in rund vier Wochen, spricht bei den jeweiligen März-Sitzungen der Notenbanken, mit geldpolitischen Neuigkeiten zu rechnen.

Während man damit sowohl in Washington und erst recht in Frankfurt noch ganz am Anfang der geldpolitischen Wende steht, lässt sich in einigen Schwellenländern hingegen schon ein weit fortgeschrittener geldpolitischer Reifegrad beobachten. Will heißen: die dortigen Leitzinserhöhungszyklen nähern sich bereits dem Ende, so dass auf kurze Sicht nur noch vergleichsweise wenig „Luft nach oben“ besteht und nach einer längeren Phase des Innerhaltens perspektivisch bereits erste Leitzinssenkungserwartungen nicht verwundern sollten. Vor Augen haben wir diesbezüglich die russische sowie die brasilianische und die tschechische Geldpolitik. Gemein ist ihnen, dass sie bereits im Frühjahr bzw. Sommer letzten Jahres aufgrund massiv zunehmender Inflationsrisiken damit begonnen haben, die geldpolitischen Zügel beherzt in die Hände zu nehmen und zu straffen. Hierbei erhöhten die brasilianischen Währungshüter die Leitzinsen bislang um unglaubliche 875 Bp, gefolgt von ihren russischen (+425 Bp) und tschechischen (+350 Bp) Amtskollegen. Interessant ist jedoch, dass ausgerechnet die tschechische Krone, obwohl in diesem Vergleich mit dem „geringsten“ geldpolitischen Support bedacht, in den vergangenen Monaten als einzige Währung gegenüber dem Euro so stark aufwerten konnte, dass sie wieder ihre Niveaus von vor Ausbruch der Corona-Krise zurückerobern konnte. Sowohl der brasilianische Real als auch der russische Rubel sind hingegen nach wie vor weit von ihren entsprechenden Werten entfernt. Es scheint, als ob der restriktive geldpolitische Kurs ihrer Währungshüter die beiden risikosensitiven Währungen in dem zeitweise massive eingetrübten EM-Umfeld in den zurückliegenden Monaten zwar vor ausgeprägteren Kursverlusten bewahrt haben dürfte. Um zu alter Stärke zurückzukehren, bedarf es jedoch mehr. Oder anders formuliert: möglichst wenig nationaler Störfeuer (RUB: Russland-Ukraine-Krise; BRL: ungewisser fiskalpolitischer Kurs).

--Dr. Sandra Striffler


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