Italien: Was wird aus Draghi?

Während die sich auftürmende Omikron-Welle in ganz Europa zu Jahresbeginn das beherrschende Thema ist, treibt Italien vor allem auch eine politische Frage um: Was wird aus Draghi? Der italienische Ministerpräsident genießt allseits einen exzellenten Ruf. Nicht wenige wünschen sich, dass er das Land nach Jahrzehnten der wirtschaftlichen Stagnation zu neuer Blüte führt.


Allerdings wählt das italienische Parlament ab dem 24. Januar einen neuen Staatspräsidenten und Draghi hat durchblicken lassen, dass er für das Amt kandidieren würde, sofern seine Bewerbung aussichtsreich wäre. Hierzu würde er aber auch die Unterstützung zumindest eines Teils der rechten Parteien wie der Lega benötigen. Im Mittelpunkt der Debatte um Draghi steht daher der Chef der Lega, Salvini. Unterstützt er Draghis Kandidatur, ist eine Regierungsumbildung unausweichlich. Im Grunde müsste Salvini sogar die Gunst der Stunde nutzen, um die politische Flucht nach vorne anzutreten und vorzeitige Neuwahlen zu erzwingen. Ein rechtes Bündnis könnte zwar die Parlamentsmehrheit erringen, Salvinis Kalkül würde aber trotzdem nicht aufgehen, wenn seine Partei am Ende nur einen Platz hinter der nationalistischen FdI belegen würde.


Alternativ könnte Salvini auf Zeit spielen und hoffen, dass die Lega den Höhenflug der FdI noch bis zu den regulären Wahlen 2023 stoppt. Dazu wäre es wahrscheinlich am günstigsten, wenn Draghi Ministerpräsident bliebe. Nicht von ungefähr wird nun sogar über eine Kandidatur des ehemaligen Premiers Berlusconi für das Präsidentenamt spekuliert. Allerdings hat diese Option ebenfalls ihre politischen Tücken. Verhindert Salvini Draghis Einzug in den Präsidentenpalast, könnte sich der Ex-EZB-Präsident womöglich anstatt dessen dafür entscheiden, im kommenden Jahr als Spitzenkandidat für das gemäßigte Lager in die Parlamentswahl zu ziehen. In dem Fall könnten sich die Zustimmungswerte für die Parteien noch gänzlich ändern und die gemäßigten und pro-europäischen Parteien am Ende sogar vorne liegen.


Ein Verbleib Draghis im Amt des Ministerpräsidenten würde von Anlegern sicher begrüßt werden. Ein Wechsel Draghis an die Staatsspitze dürfte hingegen mit politischer Unsicherheit einhergehen, auch weil die Hoffnung auf einen Fortgang des Reformkurses, den Draghi eingeschlagen hatte, schwinden könnte. Damit steht für Italien einmal mehr ein politisches Zwei-Wege-Risiko an und ausgerechnet die Wahl Berlusconis zum Präsidenten könnte von Seiten des Marktes goutiert werden.

 

-- Daniel Lenz