Das Bumerang-Risiko einer expansiven Fiskalpolitik

Die hohen Haushaltsdefizite der Staaten der Eurozone in den vergangenen beiden Jahren waren der Corona-Pandemie geschuldet und auch notwendig, um einen noch größeren wirtschaftlichen Schaden abzuwenden. Trotz des einsetzenden Aufschwungs halten die meisten EWU-Staaten auf absehbare Zeit aber an ihrer expansiven Fiskalpolitik fest. Italien, nach Griechenland das am stärksten verschuldete Land des Euroraums, hat jüngst sogar bekanntgegeben, dass die Neuverschuldung in diesem Jahr bis zu 20 Mrd. Euro höher ausfallen könnte. Italiens Budgetfehlbetrag liegt 2022 voraussichtlich bei 5,7% des BIP, Frankreichs zu erwartendes Haushaltsdefizit kaum darunter.


Die Staaten rechtfertigen die expansive Fiskalpolitik zum einen mit den wirtschaftlichen Folgeschäden der Corona-Krise und zum anderen mit dem hohen Investitionsbedarf im Zuge der ökologischen Transformation zur Einhaltung der Klimaziele. Der neue fiskalpolitische Zeitgeist ist allerdings nicht ohne Risiko. Die Staaten verpassen die Chance, die hohen Schuldenstandsquoten spürbar zurückzuführen, was sich vor allem dann rächen könnte, wenn die Refinanzierungskosten am Rentenmarkt wieder steigen.


Ob dies eintreten wird, hängt maßgeblich von der Geldpolitik der EZB ab. Diese ist bislang ultraexpansiv ausgerichtet, was aber vor dem Hintergrund steigender Inflationsraten nicht mehr von Dauer sein muss. Zwar schauen die EZB-Oberen durch die aktuell hohe Teuerung hindurch, da sie in erster Linie durch Sondereffekte und eine Angebotsknappheit im Zuge gestörter Lieferketten verursacht ist und Notenbanken hierauf keinen unmittelbaren Einfluss haben. Anders sähe es aber aus, wenn auch die Löhne stärker stiegen und die Gefahr von Zweitrundeneffekten zunähme. Ob die nachfrageinduzierten Inflationsrisiken wachsen werden, ist eine der spannenden Fragen in diesem Jahr. Klar ist, dass die Staaten aus den genannten Gründen hieran kein Interesse haben. Umso mehr könnte sich die expansive Fiskalpolitik als Bumerang herausstellen, weil sie die gesamtwirtschaftliche Nachfrage zusätzlich anheizt. Dies vergrößert jedoch bestehende Knappheiten und wirkt sich preistreibend aus. Besonders stark könnte der Effekt ausgerechnet in den höher verschuldeten Staaten ausfallen, weil sie neben einem großen Haushaltsdefizit auch enorme Einnahmen aus dem EU-Wiederaufbaufonds erhalten werden. Es wird also Zeit, den Fuß vom fiskalpolitischen Gaspedal zu nehmen, um das Bumerang-Risiko noch abzuwenden.

 

-- Daniel Lenz