Italien: Nur kurze Atempause für Investoren

Sergio Mattarella ist am Samstag für weitere sieben Jahre zum Staatspräsidenten Italiens gewählt worden. Damit bleibt Mario Draghi auch Regierungschef – wahrscheinlich sogar bis zu den regulären Parlamentswahlen im Frühjahr kommenden Jahres. Ein noch größeres politisches Chaos, das bei einer Wahl Draghis zum Präsidenten und der Suche nach einem Nachfolger an der Spitze der Regierung gedroht hätte, konnte somit verhindert werden.

 

Das Wahlchaos der vergangenen Woche hat allerdings auch gezeigt, dass die Vielparteien-Koalition ein Zweckbündnis ist, das an Instabilität zunimmt, je näher die Parlamentswahlen rücken. Auch die Autorität Draghis dürfte in den kommenden Monaten kaum ausreichen, die wachsenden Risse im Fundament des Bündnisses zu beheben. Die Chance auf weitere Reformen könnte daher schwinden, ebenso die Bereitschaft den Rotstift anzusetzen, um das viel zu hohe Haushaltsdefizit zu reduzieren. Damit steht zu befürchten, dass Draghis politischer Aktionsradius vom Gestalten auf das Verwalten des Status quo schrumpfen wird.

 

Aus Marktsicht dürfte zunächst die Erleichterung überwiegen, dass eine noch größere politische Krise abgewendet werden konnte. Die Risikoprämien für italienische Staatsanleihen, die vor allem im längeren Laufzeitenbereich seit Oktober letzten Jahres sukzessive gestiegen waren, werden sich mit hoher Wahrscheinlichkeit zunächst einmal wieder einengen. Die Euphorie dürfte aber bald schon wieder einer Ernüchterung weichen, denn die EZB wird die Anleiheneukäufe, von denen italienische Staatsanleihen in besonderem Maße profitiert hatten, in den kommenden Monaten spürbar senken. Noch im vergangenen Jahr hatte die EZB indirekt etwa 40% der neu begebenden Anleihen durch ihre Ankaufprogramme absorbiert. Zwar wird Italiens Neuverschuldung in diesem Jahr rund 60 Mrd. Euro niedriger als 2021 ausfallen, der Umfang der EZB-Nettoneukäufe sinkt aber noch stärker. Im Ergebnis liegt der Anteil der EZB-Nettoneukäufe im Jahr 2022 bei nur noch 20% des Bruttoemissionsvolumens. Das damit einhergehende Crowding-in privater Investoren setzt Vertrauen in die Verlässlichkeit der Politik in Rom und eine solide Finanzplanung voraus. Genau hier drohen im Laufe des Jahres aber die Zweifel zu wachsen, was eine abermalige Spreadausweitung zur Folge haben dürfte – wenngleich auch in einem geringeren Umfang als es bei einem Wechsel Draghis an die Staatsspitze zu erwarten gewesen wäre.

 

Daniel Lenz