Bitcoin im Sinkflug – die Geister, die ich rief?

Das Kryptowährungs-Segment hat in den vergangenen Tagen einen erneuten Rückschlag erlitten. Erstmals seit Mitte 2021 fällt der Bitcoin-Kurs wieder unter die Marke von 35.000 USD. Anhänger der führenden Kryptowährung werden nicht müde, den Kurseinbruch als gesunde Korrektur kleinzureden und von den weiterhin bestehenden Chancen für die Zukunft zu schwärmen. Kritiker von Kryptowährungen brüsten sich angesichts eines Verlusts von rund 50% binnen weniger Wochen hingegen damit, es schon immer gewusst zu haben, und sehen den Niedergang bevorstehen. Zu sicher sollten sich die Skeptiker von Bitcoin & Co. allerdings nicht fühlen.

 

Traditionelle Finanzmarktteilnehmer reagieren nach etabliertem Muster

Objektiv betrachtet ist die Entwicklung der vergangenen Wochen wohl eher das Resultat einer zunehmenden Bedeutung von Kryptowährungen als Asset-Klasse unter etablierten Finanzmarktteilnehmern. Akteure aus traditionellen Segmenten haben ihre Engagements in 2021 erheblich ausgeweitet. Dies hat zwar die Nachfrage angekurbelt. Allerdings verhält sich diese Investorengruppe nach klassischem Muster. Mit steigender Unsicherheit (ergänzt durch die Aussicht auf Leitzinserhöhungen in den USA) werden riskantere Vermögenswerte – und das sind Kryptowährungen zweifelsfrei – tendenziell verkauft. Ideologische Überzeugungen, wie sie bei Krypto-Enthusiasten zu finden sind, spielen hier eine untergeordnete Rolle.

 

Darüber hinaus können Zentralbanken das Kryptowährungs-Segment nicht mehr ignorieren. Das gilt für autoritäre Staaten, die Kapitalströme genauestens überwachen wollen (China), ebenso wie für Länder, deren Währungen über eine mangelhafte Reputation verfügen und daher privat emittierte Geldformen als Konkurrenz fürchten (Russland, Türkei). Selbst die bedeutendsten Notenbanken der Welt kommen nicht umhin, sich mit Bitcoin & Co. zu befassen. Führende Vertreter der Europäischen Zentralbank prangern öffentlich hohe soziale sowie private Kosten des Bitcoin-Netzwerks an, und die Federal Reserve befasst sich mittlerweile offiziell und intensiv mit einer eigenen digitalen Zentralbankwährung. Der IWF warnt vor Finanzstabilitätsrisiken durch Kryptowährungen und fordert vor diesem Hintergrund eine globale Regulierung. Dabei galten Kryptowährungen noch bis weit in das Jahr 2020 hinein als Nischenprodukt ohne größere globale Relevanz.

 

Totgesagte leben länger – Bitcoin-Comeback jederzeit möglich

Nicht von der Hand zu weisen ist zwar, dass Kryptowährungen angesichts des drastischen Kurseinbruchs und des zu beobachtenden Gleichlaufs mit bedeutenden Aktienindizes derzeit weder als Schutz vor Inflation noch hinsichtlich möglicher Hedging-Motive besonders gut abschneiden. Allerdings durchlebte der Bitcoin in den vergangenen Jahren bereits mehrfach drastische Preisrücksetzer, ohne deswegen von der Bildfläche zu verschwinden. Zudem liegt dessen Kurs aktuell immer noch auf dem Niveau von vor rund einem Jahr. Investoren, die im Herbst 2020 eingestiegen sind, konnten ihr Engagement sogar weiterhin mehr als verdreifachen. Die Blockchain-Technologie bleibt ein Thema mit Zukunft. Das gilt auch für das Geld- und Währungssegment. Das muss zwar nicht zwingend für privat emittierte Kryptowährungen gelten. Abschreiben sollte man den Bitcoin jedoch auch nach dem Kurseinbruch der vergangenen Wochen nicht.

 

Sören Hettler