China: Q4-Wachstum überrascht positiv, aber der Ausblick ist trüb
Angesichts der erheblichen Belastungen, mit denen die chinesische Wirtschaft ins Endquartal 2021 gestartet ist – Unwuchten im Immobiliensektor (Stichwort: Evergrande), Strommangel in der Industrie und immer wieder rigorose Null-Covid-Einschränkungen –, sind die nun vorgelegten Wachstumszahlen für das zurückliegende Vierteljahr fast schon verblüffend robust ausgefallen. Sicherlich, die vielbeachtete Jahreswachstumsrate hat weiter abgebremst von 4,9% auf 4,0%, was für China ein denkbar schwacher Wert ist. Die Erwartungen wurden damit gleichwohl recht deutlich übertroffen. Massiv angezogen hat dagegen das vierteljährliche Wachstum, das nach offiziellen Angaben mit 1,6% so kräftig war wie seit einem Jahr nicht mehr.
Chinas Wachstum wurde im vergangenen Jahr wesentlich von einer starken Auslandsnachfrage getragen, während die Binnenkonjunktur zunehmend unter Druck geraten ist. Diese Diskrepanz hat sich zum Jahresende weiter verschärft. Der Überschuss in der chinesischen Handelsbilanz erreichte im vierten Quartal und im Dezember jeweils ein Allzeithoch, weil die Güternachfrage in den von Corona-Wellen betroffenen Industrieländern nach wie vor hoch ist – insbesondere nach Handys, Computern oder Masken und Corona-Tests, die allesamt größtenteils aus chinesischer Fertigung stammen. Dagegen haben strengere Vorschriften am Immobilienmarkt, die auch Evergrande ins Wanken brachten, die Wohnungsbautätigkeit in China insbesondere in der zweiten Jahreshälfte komplett ausgebremst. Auch die kompromisslose Null-Covid-Politik Pekings belastet die Konjunktur immer wieder, zuletzt mit der Abriegelung der Millionenmetropole Xi’an. Die Menschen sind zunehmend verunsichert, der Konsum ist im Dezember zum wiederholten Mal im vergangenen Jahr geschrumpft.
Mit dem überraschend kräftigen Jahresende hat die chinesische Wirtschaft zwar etwas mehr Schwung zum Start ins neue Jahr erhalten. Der Ausblick hat sich gleichwohl erheblich eingetrübt. Mit dem Auftauchen der hochansteckenden Omikron-Variante steht Chinas Null-Covid-Ansatz vor enormen Herausforderungen – insbesondere so kurz vor den Olympischen Spielen, bei denen Peking nicht nur mit seiner erfolgreichen Anti-Corona-Politik glänzen möchte, sondern die die Infektionslage in China ihrerseits auf eine besonders harte Probe stellen. Lockdowns in einzelnen Städten des Landes dürften sich deshalb in den ersten Wochen dieses Jahres häufen, worunter nicht nur die Verbraucher leiden werden. Auch in Häfen und einzelnen Fabrikanlagen dürfte es immer wieder zu Störungen kommen. Wir rechnen daher für das laufende erste Quartal nur mit einer Stagnation der chinesischen Wirtschaft und haben unsere Wachstumsprognose für das soeben begonnene Jahr unlängst von 4,8% auf 4,4% gesenkt.
Das sind keine guten Aussichten für die weltweit enorm angespannten Lieferketten, aber auch nicht für ein Jahr, an dessen Ende der amtierende chinesische Staatpräsident für eine weitere Amtszeit bestätigt werden will. Daher mag es kaum verwundern, dass der Staat damit beginnt, konjunkturelle Stimuli hochzufahren, wie geldpolitische Lockerungen oder Unterstützungsmaßnahmen für den Immobiliensektor. Ein wichtiger Schritt wäre außerdem, wenn China sich von Null-Covid verabschieden würde, womit sich die Regierung aus unserer Sicht in eine Sackgasse manövriert hat. Hierzu müsste Peking jedoch eine Menge ideologischen Ballast über Bord werfen.
Monika Boven