Unerwartetes Duo: Geopolitik und Klimawandel

Wer an Geopolitik denkt, dem kommt zumeist nicht der Klimawandel als erste Assoziation in den Sinn. Dennoch gibt es zwischen beiden Themen eine wechselseitige Beziehung mit vielen Facetten, welche auch dem umfassenden Blick des Kapitalmarktbeobachters nicht verborgen bleiben sollten.
 

Dass der Klimawandel auf die Geopolitik ausstrahlt, liegt auf der Hand: Extremwetter in all ihren Ausprägungen haben das Potenzial, erhebliche ökonomische Schäden zu verursachen. Diese können dann zu sozialen Problemen – von steigenden Kosten für Lebenshaltung und Versicherungen über sinkende Einkommen und Vermögen bis zu Migrationsdruck – führen. Soziale Probleme führen politisch zu Unzufriedenheit und Polarisierung, welche durch Regulierungen zur Eindämmung des Klimawandels oftmals noch verschärft werden. Wirtschaftliche, soziale und politische Instabilitäten sind Risikofaktoren, die auf dem Radar der internationalen Politik auftauchen. Diese wiederum hätte in der globalen Klimadiplomatie einen Schlüssel, zielstrebige Abkommen zur Eindämmung der Erderwärmung und zur Finanzierung von Anpassungsmaßnahmen zu beschließen. Die Dynamik des Klimawandels hängt somit auch von derartigen Abkommen ab. Losgelöst von institutionellen Schwächen solcher Vereinbarungen ist es aber wieder die Geopolitik, die hier den Takt vorgibt. Fortschritte sind oft marginal, denn Nutzenkonflikte der betroffenen Länder gibt es hinreichend. Sie nähren sich unter anderem aus divergierenden industrie- und vor allem energiepolitischen Zielen (Im- und Exporteure fossiler Brennstoffe), aus Unterschieden in der Beherrschung „grüner Technologien“ und der dafür notwendigen Rohstoffe sowie konkurrierenden finanziellen und regulatorischen Prioritäten. Wenn zu diesen Differenzen noch eine erhöhte geopolitische Rivalität – wie zwischen den größten CO2-Emittenten China und USA – kommt, dann scheint der ökologische Aspekt der Klimaverhandlungen relativ zu den geostrategischen Erwägungen oft zweitrangig. 

 

Dass Geopolitik und Klimawandel sich wechselseitig beeinflussen, ist für Investoren aus drei Gründen wichtig: Da die Geopolitik ebenso wie physische Klimarisiken feste Bestandteile der Risikobewertung darstellen, sollten alle hier wirkenden Einflussfaktoren betrachtet werden. Zudem ist die Klimadiplomatie ein wesentlicher Ursprung transitorischer ESG-Risiken und rückt daher ebenso ins Blickfeld. Abschließend kann die Dynamik am Markt für nachhaltige Anleihen von geostrategischen Präferenzen beeinflusst werden, wofür Themen wie Energieunabhängigkeit und Anpassungsfinanzierung stehen.

 

-- Torsten Hähn