900 Mrd. EUR für Deutschland: Erste Marktreaktionen
In Berlin und Brüssel geben sich die Verantwortlichen dieser Tage entschlossen, den bestehenden Herausforderungen mit staatlichen Finanzmitteln zu begegnen. An den hiesigen Renten, Devisen- und Aktienmärkten hinterlässt die geänderte Gangart deutliche Spuren.

Bereits in den vergangenen Tagen war von zwei neuen Sonderfonds für Verteidigung und Infrastruktur in Höhe von bis zu 900 Milliarden Euro die Rede. Gestern Abend einigten sich Union und SPD auf neue Milliardenkredite. Das Paket soll noch im alten Bundestag verabschiedet werden. Im Rahmen eines Sondervermögens sollen rund 500 Milliarden Euro für die deutsche Infrastruktur bereitgestellt werden. Zur Finanzierung der Verteidigungsausgaben soll die Schuldenbremse teilweise gelockert werden. Auf EU-Ebene werden zudem zusätzliche Maßnahmen zur Stärkung der Verteidigungsfähigkeit Europas auf den Weg gebracht.
Der Rentenmarkt reagierte stark auf diese Ankündigungen. Die zehnjährigen Bundrenditen sind über Nacht so stark gestiegen wie seit 2022 nicht mehr und liegen mit rund 2,7% auf dem höchsten Stand seit knapp einem Jahr. Bei der Swapkurve stiegen die Sätze vor allem am langen Ende massiv an. Während die 30-jährigen Swapsätze seit Ende Februar um rund 25 Basispunkte und die 10-jährigen Swapsätze um rund 22 Basispunkte anzogen, betrug der Anstieg bei den 2-jährigen Swaps lediglich 8 Basispunkte.
Der Euro profitiert von den höheren langfristigen Renditen und der Hoffnung auf die massiven Investitionsprogramme. Diese könnten dazu beitragen, die europäische (und vor allem die lahmende deutsche) Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen. Nach Jahren der Misere also endlich ein echter Hoffnungsschimmer, um dem US-Dollar Paroli bieten zu können.
Mit Blick auf unsere Erwartungen für die weitere Kursentwicklung an den europäischen Aktienmärkten hat die neuerdings zu erkennende Entschlossenheit in Berlin und Brüssel die Karten diesseits des Atlantiks neu gemischt. Nicht nur haben höhere Staatsausgaben und eine offensichtlich wirtschaftsfreundlichere Gangart das Potenzial, die Entwicklung der europäischen Wirtschaft im Allgemeinen und der Gewinne der in den Aktienindizes notierten Unternehmen nachhaltig positiv zu beeinflussen. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass sich das Sentiment an den Finanzmärkten spürbar aufhellt (Stichwort: Aufbruchsstimmung). Deutsche Aktien dürften in der Breite profitieren. Vor allem kleinere und konjunktursensitive Titel sollten dabei im Fokus stehen.
Für die kommenden Monate gehen wir davon aus, dass die Diskussion um höhere Schulden zu höheren Renditen am langen Ende der Zinsstrukturkurve führen wird. Da die Schuldenpakete auf kurze Sicht nicht zu einem deutlich stärkeren Wirtschaftswachstum und/oder zu einem erheblich zunehmenden Inflationsdruck führen werden, ist davon auszugehen, dass die EZB vorerst an ihrem Zinssenkungszyklus festhalten wird. An den Finanzmärkten dürften die langfristigen Auswirkungen jedoch schon jetzt Spuren in Form einer steileren Zinsstrukturkurve sowie – zumindest in der Tendenz – eines stärkeren Euros und deutlich höherer Aktienkurse hinterlassen.
-- Birgit Henseler, Sören Hettler