ESG-Regulierung: Viel gemacht, viel kritisiert

Die EU-Kommission hat umfangreiche Erleichterungen bei der Nachhaltigkeitsregulierung vorgeschlagen. Die Vorschläge versprühen den Geist der versprochenen Wettbewerbsstärkung durch Entbürokratisierung, ziehen aber auch den Vorwurf des Nachlassens bei den ESG-Ambitionen auf sich.

 

Gestern hat die EU-Kommission wie angekündigt ein Omnibus-Paket zum Thema Nachhaltigkeit veröffentlicht, welches weitreichende Vereinfachungen der regulatorischen Anforderungen vorsieht. Die dabei ins Spiel gebrachten Änderungen beziehen sich mit der CSRD, der EU-Taxonomie, der CSDDD und dem CBAM auf Kernvorhaben im Rahmen des European Green Deal. Die Vorschläge der Kommission zielen darauf ab, die Komplexität der (Berichts-)Anforderungen insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen zu verringern und sich in erster Linie auf die größten Unternehmen mit den stärksten Auswirkungen auf Klima und Umwelt zu konzentrieren.

 

Der erste Eindruck der Vorschläge ist, dass sich die EU-Kommission des erheblichen Drucks bei dem Thema bewusst war und einen eher großen Wurf anstrebt. Dieser Druck resultierte aus den gemachten Versprechen zur Entbürokratisierung und der Notwendigkeit, in Europa Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Vielleicht atmet das Paket auch ein wenig den veränderten Zeitgeist im Hinblick auf ESG-Themen. Den gehörten Vorwurf, dass sich die geplanten Erleichterungen in eine Reihe mit dem drastischen ESG-Backlash in den USA stellen, halten wir jedoch für überzogen. Die Sorge, die EU könnte insgesamt ihr Ambitionsniveau im Bereich Nachhaltigkeit schwächen, ist da schon plausibler, da schon erreichte Maßnahmen verwässert werden. Zudem existiert mit weniger zu liefernden Datenpunkten auch weniger Transparenz für Kapitalgeber und damit fällt möglicherweise die gewünschte Lenkung von Kapitalströmen zu nachhaltigen Wirtschaftsaktivitäten weniger pointiert aus. Auf der anderen Seite bleibt die EU als ein Vorbild für ESG-Regulierung auch nur dann attraktiv, wenn dieses Vorbild bei aller klaren Kante auch Machbarkeit und Akzeptanz der Regeln vermittelt.

 

Ein wichtiger Punkt wurde nicht geändert: Die doppelte ESG-Wesentlichkeitsanalyse bleibt ein zentrales Element der Berichterstattung für die Unternehmen, die unter die CSRD fallen. In der Tat sehen wir diese Auseinandersetzung mit dem Thema Nachhaltigkeit als elementare Übung für die strategische Ausrichtung an: Unternehmen sollten sich sowohl damit befassen wie das eigene Agieren auf die Umwelt ausstrahlt (Inside-Out-Perspektive) als auch die möglichen ESG-Risiken analysieren, welche von außen auf das Unternehmen einwirken können (Outside-In-Perspektive).

-- Tobias Gruber und Torsten Hähn