Stühlerücken im EZB-Rat

Die Amtszeit zahlreicher Vertreter des EZB-Rats endet in diesem Jahr. Einige Notenbanker haben die maximal mögliche Amtszeit erreicht.

 

 

Im EZB-Rat, der sich aus den sechs Mitgliedern des Direktoriums und den Präsidenten der nationalen Zentralbanken der Euro-Länder zusammensetzt, endet im laufenden Jahr die Amtszeit zahlreicher Währungshüter. Der personelle Umbau des EZB-Rats erfolgt in einem für die Notenbank durchaus herausfordernden Umfeld. So besteht derzeit erhebliche Unsicherheit darüber, wie sich die Neuordnung der transatlantischen Handelsbeziehungen auf Konjunktur und Inflation im Euroraum auswirken wird. Es ist davon auszugehen, dass Tauben und Falken im EZB-Rat im Zuge des laufenden Zinssenkungszyklus zunehmend kontrovers über eine weitere Lockerung der Zinszügel diskutieren werden. Vor diesem Hintergrund ist es von Interesse, inwieweit die Veränderungen im EZB-Rat zu einer Verschiebung im Lager der Tauben bzw. Falken führen könnten.

 

Anfang des Monats (Februar) wurde Martins Kazaks von der lettischen Regierung für eine zweite Amtszeit an der Spitze der Latvijas Banka nominiert. Noch nicht geklärt ist hingegen die Nachfolge von Bostjan Vasle von der slowenischen Zentralbank, dessen erste Amtszeit im Januar auslief. Bei einer Parlamentsabstimmung im November vergangenen Jahres hatte ein potenzieller Nachfolger nicht die erforderliche Unterstützung im Parlament erhalten. Aufgrund der ungeklärten Personalfrage wird der Vizepräsident der slowenischen Zentralbank, Primoz Dolenc, die Amtsgeschäfte kommissarisch weiterführen. Gemäß den Statuten der EZB hat Dolenc jedoch kein Stimmrecht bei geldpolitischen Beschlüssen.  Im Juni bzw. Juli endet dann die Amtszeit zahlreicher weiterer EZB-Ratsmitglieder. Unter anderem von Peter Kazimir als Vertreter der slowakischen Notenbank. Nach den Statuten der Národná banka Slovenska wäre eine zweite Amtszeit grundsätzlich möglich. Inwieweit eine erneute Nominierung von politischer Seite erfolgt, ist bislang jedoch noch nicht bekannt. Für den niederländischen Notenbankpräsidenten Klaas Knot, der die maximal mögliche Amtszeit von zwei Perioden bereits absolviert hat, muss auf jeden Fall Ersatz gefunden werden. Über einen möglichen Ersatzkandidaten ist jedoch auch hier noch nichts bekannt. Der finnische Notenbankchef Olli Rehn nähert sich allmählich dem Ende seiner ersten Amtszeit (Juli). Der parlamentarische Aufsichtsrat in Finnland hat ihn vor kurzem für eine zweite Amtszeit vorgeschlagen. Die offizielle Ernennung erfolgt zu einem späteren Zeitpunkt durch den finnischen Premierminister Alexander Stubb. Ebenfalls im Juli endet die erste Amtszeit des portugiesischen Notenbankchefs Mario Centeno. Medienberichten zufolge könnte die portugiesische Regierung den Notenbankchef nicht für eine weitere Amtszeit nominieren. Finanzminister Joaquim Miranda Sarmento hat diese Berichte jedoch kürzlich zurückgewiesen. Vielmehr werde die Frage auf politischer Ebene entschieden, wenn die Amtszeit von Notenbankchef Centeno auslaufe. In Österreich ist die Nachfolge des bekennenden Zinsfalken Robert Holzmann bereits geklärt. Der derzeitige österreichische Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher wird im August den Vorsitz der österreichischen Notenbank übernehmen. Der künftige Notenbankchef hat sich bislang mit Äußerungen zur EZB-Geldpolitik zurückgehalten. Im Vergleich zu Holzmann dürfte sich sein Nachfolger vermutlich zunächst wohl weniger prägnant positionieren. Zu guter Letzt endet zum Jahresende die erste Amtszeit des maltesischen Vertreters im EZB-Rat, Edward Scicluna. Angesichts eines schwebenden Gerichtsverfahrens hatte der maltesische er bereits im August vergangenen Jahres darum gebeten, dass sein Stellvertreter Alexander Demarco seine Aufgaben übernimmt. Inwieweit die maltesische Regierung eine Nachfolgeregelung plant, ist bislang nicht bekannt.

 

Auch wenn im Jahresverlauf zahlreiche Wechsel im EZB-Rat anstehen gehen wir weiter davon aus, dass die geldpolitischen Beschlüsse nach wie vor vor allem auf Basis der Datenlage (Konjunktur / Inflation) getroffen werden. Die Zollstreitigkeiten mit der neuen US-Administration sollten der europäischen Wirtschaft zusetzen. Auch wenn Europa Gegenzölle erheben dürfte, gehen wir nicht davon aus, dass die Inflation übermäßig angeheizt wird, sondern diese perspektivisch wieder im Einklang mit dem EZB-Ziel steht. Vor diesem Hintergrund erwarten wir Leitzinssenkungen bis in den expansiven Bereich (Einlagesatz: 1,75%). Das Ausscheiden von Knot und Holzmann dürfte das Lager der Zinsfalken etwas schwächen und stützt grundsätzlich unseren Ausblick.

 

-- Christian Reicherter