Frankreich: Rote Karte für den RN

Bei den französischen Parlamentswahlen kommt der Rassemblement National überraschend nur auf den dritten Platz. Nun droht eine politische Pattsituation, aus der ein Mitte-Links-Bündnis der einzige Ausweg sein könnte.  

 

 

Die zweite Runde der französischen Parlamentswahlen lieferte eine faustdicke politische Überraschung. Der von den Demoskopen auf Platz eins erwartete Rassemblement National (RN) landete mit 143 Parlamentssitzen gestern nur auf dem dritten Platz. Wahlsieger ist mit 182 Sitzen das Linksbündnis Nouveau Front Populaire (NFP), gefolgt vom liberalen Bündnis Ensemble von Staatspräsident Macron mit 168 Sitzen. Damit haben die französischen Wähler, die mit knapp 67% für die höchste Wahlbeteiligung bei einer Parlamentswahl seit mehr als 40 Jahren gesorgt hatten, den Rechtspopulisten die rote Karte gezeigt und sich mehrheitlich links positioniert.

 

Der politische Ball liegt jetzt im Feld des Staatspräsidenten, da kein Bündnis eine absolute Mehrheit der Sitze, die bei 289 liegt, erreicht hat. Zwar hat Jean-Luc Mélenchon als Führungsfigur des linken Bündnis NFP bereits gefordert, dass Macron ihn mit der Bildung einer Regierung beauftragen solle. Allerdings dürfte der Präsident eher darauf abzielen, das Linksbündnis zu spalten. Während Macron jede Zusammenarbeit mit den Ultralinken von La France Insoumise rund um Mélenchon ablehnt, könnte er, nachdem Premierminister Attal gestern Abend bereits seinen Rücktritt angekündigt hat, nunmehr auf Sozialisten und Grüne zugehen, um eine Mitte-Links-Koalition zu bilden. Auch Gespräche mit der Partei Les Républicains (Mitte-rechts), die zusammen mit ihren Verbündeten immerhin 60 Sitze gewinnen konnte und damit Platz vier belegt, sind denkbar.

 

Durch den unerwarteten Wahlausgang wurde in erster Linie das Schreckensszenario einer RN-geführten, rechten Regierung vermieden. Eine Mitte-Links-Koalition in Frankreich, dessen Politik in lagerübergreifenden Koalitionen nicht geübt ist, ist jedoch alles andere als ein Selbstläufer. Dennoch scheint sie aus der aktuellen politischen Pattsituation der einzige denkbare Ausweg zu sein, unabhängig davon, ob sie am Ende als Koalition, Minderheitsregierung oder technokratische Übergangsregierung deklariert wird. In jedem Fall dürfte die Unsicherheit bei französischen Staatsanleihen (OATs) vorerst erhöht bleiben. Der zehnjährige Risikoaufschlag von OATs gegenüber deutschen Bundesanleihen notierte Ende letzter Woche nur noch bei 65 Basispunkten, nachdem sich die größte Sorge des Marktes mit der schwindenden Aussicht auf eine absolute Mehrheit für den RN bereits gelegt hatte. Dennoch bleibt der Spread deutlich über seinen Tiefständen von vor der Europawahl und spiegelt damit auch den wenig nachhaltigen Fiskalpfad der Grande Nation wider. Die schwierigen Mehrheitsverhältnisse im Nachgang der Parlamentswahl dürften dabei weder Investoren noch Ratingagenturen optimistischer stimmen.

-- Sophia Oertmann


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