Aktienmarkt: Begrenzte Relevanz politischer Machtverhältnisse in den USA
Der Dreiklang aus Weißem Haus, Senat und Repräsentantenhaus hat wesentlichen Einfluss auf die US-Politik. Auch der S&P 500 beobachtet den Wahlkampf sehr genau.
Etwas mehr als zwei Monate sind es noch, dann stehen in den USA die nächsten Wahlen an. Die größte Aufmerksamkeit erfährt dabei der Zweikampf ums Weiße Haus zwischen dem Republikaner Trump und der Demokratin Harris. Dass sich gleichzeitig ein Drittel der Senatorinnen und Senatoren sowie alle Abgeordneten des Repräsentantenhauses – wie alle zwei Jahre üblich – zur Wahl stellen müssen, rückt hingegen meist in den Hintergrund – zu Unrecht! So dürfte der Gestaltungsspielraum des künftigen Staatsoberhaupts davon abhängen, inwieweit die Mehrheiten in den beiden Kammern des Kongresses die Vorhaben des Bewohners oder der Bewohnerin im Weißen Haus mittragen.
Aus der Perspektive des S&P 500 und dessen Entwicklung seit 1989 kann es einen gravierenden Unterschied ausmachen, wie es um die Machtverhältnisse zwischen Weißem Haus, Repräsentantenhaus und Senat bestellt ist. Besonders gute Erfahrungen hat der US-Leitindex in diesem Zeitraum zwar mit demokratischen Präsidenten gemacht. Allerdings gilt dies lediglich, sofern mindestens eine Kammer des Kongresses mehrheitlich unter republikanischer Kontrolle stand. Eine „blaue Welle“ schnitt hingegen vergleichsweise schwach ab. Sollte Trump ins Weiße Haus einziehen können, würde der S&P 500 wohl auf eine „rote Welle“ hoffen, verliefen die Konstellationen aus republikanischem Präsidenten und demokratischer Mehrheit in mindestens einer Kammer des Kongresses für den US-Aktienmarkt doch teils äußerst unerfreulich. Bei den europäischen Indizes dürfte hingegen eine eindeutige Präferenz für Harris vorherrschen, waren hier die Erfahrungen mit republikanischen US-Staatsoberhäuptern doch durchweg schlechter als mit demokratischen.
So hilfreich der Blick in die Vergangenheit auch sein mag, mehr als eine grobe Orientierungshilfe für die künftige Entwicklung dürfte sie kaum darstellen. Gemessen werden müssen Harris oder Trump an den Entscheidungen und Maßnahmen, die sie gemeinsam mit dem Kongress auf die Beine stellen. Und auf dieser Basis werden die Aktienmarktteilnehmer schlussendlich ihre Erwartungshaltung ausrichten. Zur Wahrheit gehört außerdem, dass die US-Politik zwar ohne Zweifel ein wichtiger, aber nicht der einzige Faktor ist, der für die Finanzmärkte relevant ist. Konjunktur, Inflation, Geld- und Geopolitik sowie die Gewinnentwicklung der Unternehmen spielen für die Entwicklung an den Aktienmärkten ebenfalls eine zentrale Rolle, ganz zu schweigen von den Spuren, die diverse Krisen in den vergangenen Jahrzehnten hinterlassen haben.
-- Sören Hettler