Britische Inflation nimmt Kurs auf die Zielgerade

„From zero to hero?“ In Großbritannien dürfte die Inflationsrate das 2%-Ziel der Notenbank früher erreichen als im Euro-Raum oder in den USA. Das gibt der Bank of England (BoE) größeren Spielraum bei der Zinswende. Risiken, dass der Preisdruck durch das immer noch hohe Lohnwachstum wieder angefacht wird, bleiben jedoch.
 


Lange hat Großbritannien mit einer besonders hohen und zähen Inflation zu kämpfen gehabt. Das hing mit dem Energiepreisschock zusammen, der die von Erdgas besonders abhängige britische Wirtschaft stark traf, aber auch mit Zweitrundeneffekten durch hohe Lohnsteigerungen aufgrund des engen Arbeitsmarktes. Seit Mitte letzten Jahres etwa lässt der Preisdruck aber erkennbar nach. Im Februar hat sich die Inflationsrate von zuvor 4,0% auf 3,4% weiter ermäßigt und liegt nun nur noch einen Hauch über ihrem US-Pendant (3,2%). Auch die Kernrate ohne Energie- und Nahrungsmittelpreise hat weiter nachgegeben. Preisrückgänge gab es in einigen wichtigen Dienstleistungsbereichen, was darauf hindeutet, dass sich der preistreibende Effekt der Lohnsteigerungen erst einmal abschwächt. Außerdem haben sich zahlreiche Elektronikartikel verbilligt – wohl auch dank der aktuellen Rabattaktion chinesischer Exporteure.

 

In den kommenden Monaten sollten die beiden britischen Inflationsmaßzahlen weiter nachgeben. Die Gesamtrate dürfte schon im Frühsommer temporär unter das Notenbankziel von 2% sinken, die Kernrate dürfte den Zielwert um die Jahresmitte erreichen. Dabei spielen zwar auch statistische Basiseffekte eine Rolle, die mit den hohen Preissteigerungen vom Vorjahr zusammenhängen. Sobald sie auslaufen, werden sich die Inflationsraten wohl wieder leicht oberhalb des 2%-Ziels einpendeln, damit gleichwohl aber zielkonform bleiben, denn der Zielkorridor der Bank of England reicht von 1% bis 3%.

 

Für die britischen Währungshüter eröffnet der aktuelle Inflationsrückgang geldpolitische Spielräume. Auf der morgigen Notenbanksitzung wird sicherlich noch keine Zinssenkung beschlossen werden, sie dürfte aber Aufschlüsse darüber geben, wann die Bank of England die Zinswende anpeilt. Wir erwarten, dass die BoE im Juni – zeitgleich mit der EZB und der Fed und damit etwas früher als an den Finanzmärkten erwartet – den ersten Zinsschritt nach unten vornehmen wird. Überstürzen werden die britischen Geldpolitiker den Lockerungskurs aber auch nicht, sondern eher sehr behutsam vorgehen. Denn noch immer ist der Arbeitsmarkt angespannt und die Zahl der unbesetzten Stellen hoch. Erneut hohe Lohnsteigerungen könnten den gerade erst mühsam in Schach gebrachten Inflationsdruck erneut anfachen.

 

-- Monika Boven


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